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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Heilkunst erlernt - was nicht ganz einfach gewesen war, hatte gelernt, zu geben und mich anderer anzunehmen, dabei aber stets darauf zu achten, nicht soviel zu geben, daß ich nicht mehr konnte. Ich hatte gelernt, auf Distanz zu gehen und mich zu lösen - auf eigene Kosten.
    Und auch im Zusammenleben mit Frank hatte ich den Balanceakt der Höflichkeit gelernt - hatte gelernt, Freundlichkeit und Achtung zu zeigen, ohne die unsichtbare Grenze ins Reich der Leidenschaft zu überschreiten. Und Brianna? Die Liebe zu einem Kind ist nicht frei. Mit den ersten Regungen im Mutterleib wird eine Hingabe geweckt, die stark und blind zugleich ist. Aber obwohl diese Liebe übermächtig ist, verliert man sich nicht darin. Man trägt die Verantwortung, beschützt, beobachtet und behütet - man liebt durchaus leidenschaftlich, aber niemals selbstvergessen.
    Ständig und dauernd mußte ich Mitgefühl mit Klugheit, Liebe mit Vernunft, Menschlichkeit mit Härte ausgleichen.
    Nur Jamie hatte ich mich ganz und gar hingegeben, hatte alles aufs Spiel gesetzt. Hatte Vorsicht, Urteilsvermögen und Vernunft über Bord geworfen, ebenso die Annehmlichkeiten und Zwänge einer hart erarbeiteten Karriere. Ich hatte mich ihm geschenkt, ihm meine Seele und meinen Körper gegeben, mich ihm unverhüllt gezeigt und darauf vertraut, daß er mich mit meinen Schwächen annahm - weil er es früher getan hatte.
    Ich hatte befürchtet, daß ihm das nicht noch einmal möglich war. Oder daß er es nicht mehr wollte. Und dann hatte ich die wenigen Tage vollkommener Freude erlebt, wo ich glaubte, daß das, was früher wahr gewesen war, auch jetzt noch Gültigkeit besaß. Ich wollte ihn lieben und mich ebenso lieben zu lassen.
    Die Tränen rannen mir heiß durch die Finger. Ich trauerte um Jamie und um das, was wir uns einst gewesen waren.
    Weißt du, flüsterte seine Stimme, was es bedeutet, wieder zu sagen ›Ich liebe Dich‹ und es zu meinen?
    Ja, ich wußte es. Und mir war gleichermaßen klar, daß ich es nie wieder auf diese Weise meinen konnte.

    Ich war so tief in meinen Kummer versunken, daß ich die Schritte erst hörte, als er schon fast vor mir stand. Aufgeschreckt durch einen knackenden Ast, schoß ich hoch und wirbelte, den gezückten Dolch in der Hand und mit klopfendem Herzen, herum.
    »Himmel!« Mein Gegner, der offenbar ebenso erschrocken war wie ich, wich beim Anblick der Klinge zurück.
    »Was, in Gottes Namen, tust du hier?« fragte ich ihn.
    »Meine Güte, Tante Claire! Wo hast du gelernt, das Messer so rasch zu ziehen? Mir ist vor Schreck fast das Herz stehengeblieben.« Der junge Ian wischte sich mit der Hand über die Stirn.
    »Mir geht es nicht anders«, versicherte ich ihm. Mit weichen Knien sank ich zurück auf den Espenstamm und legte den Dolch auf meinen Oberschenkel.
    »Also«, sagte ich und versuchte meiner Stimme Festigkeit zu verleihen. »Was tust du hier?« Was er hier tat, war mir relativ klar, und es paßte mir ganz und gar nicht. Aber ich mußte mich erst einmal von dem Schreck erholen, bevor ich der Sache gewachsen war.
    Ian biß sich unschlüssig auf die Lippen und setzte sich schließlich neben mich.
    »Onkel Jamie hat mich geschickt…«, setzte er an. Das reichte mir. Ungeachtet meiner wackeligen Knie stand ich auf und steckte den Dolch in meinen Gürtel.
    »Warte, Tante! Bitte!« Er packte mich am Arm, aber ich riß mich los.
    »Interessiert mich nicht«, sagte ich und trat mit dem Fuß nach den Farnwedeln. »Kehr um, Ian. Ich muß in die andere Richtung.« So hoffte ich wenigstens.
    »Es ist nicht, was du denkst, Tante!« Da er mich nicht von meinem Vorhaben abbringen konnte, folgte er mir durch die Lichtung und redete auf mich ein. »Er braucht dich, Tante, wirklich. Du mußt mitkommen.«
    Ich reagierte nicht. Als ich mein Pferd erreicht hatte, beugte ich mich vor, um die Fesseln zu lösen.
    »Tante Claire! Hör mich doch an!« Ian überragte das Hinterteil des Pferdes um einiges und spähte über den Sattel zu mir herüber. Wenn er sein gutmütiges Gesicht wie jetzt in besorgte Falten legte, sah er aus wie sein Vater.
    »Nein«, erwiderte ich kurz angebunden. Ich stopfte die Fesseln
in die Satteltasche, schob einen Fuß in den Steigbügel und schwang mich mit majestätisch raschelnden Röcken in den Sattel. Mein würdevoller Abschied wurde nun jedoch von der Tatsache getrübt, daß der junge Ian die Zügel des Pferdes in eisernem Griff hielt.
    »Laß los«, sagte ich gebieterisch.
    »Erst nachdem du mir zugehört

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