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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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setzte er außer Atem an. Aber Jamie, der sich im Gehen den Mantel überwarf, war schon an ihm vorbeigestürmt.
    »Aber Mylord…!« Fergus, der noch immer nach Luft schnappte, hatte Angst. »Mylord, die Soldaten!«
    »Soldaten?« Jamie blieb unvermittelt stehen und drehte sich um. Ungeduldig wartete er, bis der junge Franzose ihn wieder einholte. »Welche Soldaten?« fragte er, als Fergus den letzten Schritt auf ihn zurutschte.
    »Englische Dragoner. Die Herrin hat mich geschickt. Ich soll Ihnen sagen, daß Sie die Höhle auf gar keinen Fall verlassen dürfen. Einer der Männer hat gesehen, wie die Soldaten gestern bei Dunmaglas ihr Lager aufgeschlagen haben.«
    »Verdammt!«
    »Ja, Mylord.« Fergus setzte sich auf einen Stein und fächelte sich Luft zu. Noch immer atmete er schwer.

    Jamie zögerte. Alles in ihm wehrte sich dagegen, in die Höhle zurückzukehren. Seit Fergus aufgetaucht war, klopfte ihm das Herz vor lauter Aufregung bis zum Halse, und es widerstrebte ihm, wie ein Schwächling in sein Versteck zurückzukriechen.
    »Mmmpf.« Nachdenklich sah er Fergus an. Dessen schlanke Gestalt zeichnete sich unscharf im Dämmerlicht vor dem dunklen Stechginster ab. Sein Gesicht war nicht mehr als ein heller Fleck. Plötzlich keimte in Jamie ein Verdacht. Warum hatte seine Schwester Fergus zu dieser ungewohnten Stunde zu ihm gesandt?
    Wenn er so dringend vor den Dragonern gewarnt werden mußte, wäre es sicherer gewesen, Fergus bei Nacht zu schicken. Und wenn es nicht so dringend war, warum nicht bis nächste Nacht warten? Die Antwort lag auf der Hand - Jenny glaubte wohl, daß sie in der kommenden Nacht keinen Boten mehr ausschicken konnte.
    »Wie geht es meiner Schwester?« erkundigte er sich bei Fergus.
    »Ach, gut, Mylord, ganz gut.« Der herzhafte Ton, in dem das gesagt wurde, bestätigte Jamies Verdacht.
    »Das Kind kommt, oder?« forschte er nach.
    »Nein, Herr! Ganz bestimmt nicht!«
    Jamie packte Fergus an den Schultern. Die Glieder kamen ihm zart und zerbrechlich vor. Sie erinnerten ihn an die Kaninchenknochen, die er für Jenny zerschmettert hatte. Nichtsdestotrotz griff er fester zu, und Fergus versuchte, sich aus seiner Hand zu winden.
    »Sag die Wahrheit, Junge!«
    »Nein, Mylord, ehrlich!«
    Jamies Griff wurde unerbittlich. »Hat sie dir verboten, davon zu sprechen?« Jenny mußte ihr Verbot mit drastischen Drohungen unterstrichen haben, denn Fergus beantwortete die Frage mit offensichtlicher Erleichterung.
    »Ja, Mylord.«
    »Aha!« Er gab den Jungen frei, und Fergus sprang auf die Füße. Die Worte sprudelten aus ihm heraus, während er sich die knochige Schulter rieb.
    »Sie hat gesagt, ich darf nur von den Soldaten erzählen. Wenn nicht, würde sie mir die Eier abschneiden und sie wie Wurst mit Rüben zu einem Eintopf verarbeiten.«

    Jamie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Wir haben zwar nicht genug zu essen«, versicherte er seinem Schützling, »aber so knapp sind wir nun auch nicht dran.« Er blickte zum Horizont, wo sich hinter den zackigen Wipfeln der Kiefern eine schimmernde rote Linie abzeichnete. »Laß uns aufbrechen. In einer halben Stunde wird es hell.«
    Als sie an diesem Morgen am Haus eintrafen, wirkte es weder einsam noch verlassen. Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, daß die Dinge in Lallybroch nicht ihren gewohnten Verlauf nahmen. Der gefüllte Waschkessel stand auf der erloschenen Feuerstelle im Hof, flehendes Brüllen aus dem Stall zeigte an, daß die Kuh gemolken werden wollte, und gereiztes Blöken aus dem Ziegenschlag verkündete, daß die Insassinnen der gleichen Aufmerksamkeit bedurften.
    Als Jamie in den Hof kam, stoben drei Hühner vor Jehu, dem Terrier, in wilder Flucht davon. Jamie sprang vor und versetzte dem Hund einen Tritt in die Rippen. Der wurde herumgeschleudert und landete mit einem erstaunten Ausdruck und einem Japsen vor Jamie im Staub. Dann rappelte er sich auf und trollte sich.
    Jennys Kinder, die älteren Jungen, Mary MacNab und Sukie, die zweite Küchenmagd, hatten sich unter dem wachsamen Auge von Mrs. Kirby im Wohnzimmer versammelt. Die strenge Witwe las ihnen aus der Bibel vor.
    »Und Adam ward nicht verführt; das Weib aber ward verführt und ist der Übertretung verfallen.« Da kam von oben ein lauter Schrei, der einfach nicht enden wollte. Mrs. Kirby schwieg einen Moment lang, damit die anderen ihn würdigen konnten, dann fuhr sie fort. Ihre Augen, blaß und grau und feucht wie frische Austern, blickten zur Decke, bevor sie

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