Ferne Ufer
würde ihr Fleisch bis zum Frühjahr reichen.
Als er in die Scheune zurückkehrte, sah Fergus von seiner Mistgabel auf.
»Ist das eine erfahrene Hebamme?« wollte er wissen. »Hat sie einen guten Ruf?« Trotzig schob er sein schmales Kinn vor. »Wir dürfen Madame nicht irgendeiner Bäuerin anvertrauen.«
»Wie soll ich das wissen?« entgegnete Jamie unwirsch. »Ich hatte noch nicht oft die Gelegenheit, eine Hebamme zu bestellen.« Mrs. Martin, die den anderen Kindern der Murrays auf die Welt geholfen hatte, war während der Hungersnot nach Culloden gestorben. Die neue Hebamme, Mrs. Innes, war weitaus jünger, und er hoffte, daß sie ihr Handwerk verstand.
Rabbie schien geneigt, seinem Freund zu widersprechen. Wütend wandte er sich zu Fergus um. »Was meinst du mit Bäuerin? Du bist selber ein Bauer, hast du das noch nicht gemerkt?«
Würdevoll sah Fergus seinen Freund an, obwohl er dafür den Kopf zurücklegen mußte, weil dieser ein paar Zoll größer war.
»Ob ich ein Bauer bin oder nicht, spielt keine Rolle«, erwiderte er hochmütig. »Ich versuche mich ja schließlich nicht als Hebamme.«
»Aber als Angeber!« Rabbie versetzte seinem Freund einen Stoß. Fergus stieß einen überraschten Schrei aus und fiel nach hinten auf den harten Stallboden. Aber im nächsten Moment war er schon wieder auf den Beinen. Er wollte sich auf Rabbie stürzen, der lachend auf dem Rand einer Futterkrippe hockte, doch Jamie packte ihn beim Kragen und zog ihn fort.
»Schluß damit!« befahl er. »Wir wollen doch nicht das bißchen Heu verderben, das uns noch geblieben ist.« Er stellte Fergus wieder auf die Füße. »Was weißt du schon von Hebammen?« fragte er, um ihn abzulenken.
»Eine ganze Menge, Mylord.« Großspurig klopfte sich Fergus den Staub von der Jacke. »Viele der Damen bei Madame Elise waren im Bett, als ich dort wohnte…«
»Kein Wunder, bei dem Gewerbe«, fiel Jamie ihm trocken ins Wort. »Oder meinst du das Wochenbett?«
»Natürlich, Wochenbett. Ich bin schließlich auch dort geboren.« Stolz blähte der junge Franzose die Brust.
»In der Tat.« Jamies Mundwinkel zuckten. »Und da hast du wohl sorgfältige Beobachtungen angestellt, so daß du jetzt weißt, wie eine Geburt vonstatten gehen sollte.«
Fergus ließ sich von Jamies Spott nicht aus der Ruhe bringen.
»Natürlich«, erwiderte er ungerührt. »Die Hebamme muß ein Messer unters Bett legen, um die Schmerzen zu zerschneiden.«
»Ich glaube nicht, daß sie das getan hat«, murmelte Rabbie. »Es
hört sich jedenfalls nicht danach an.« In der Scheune bekam man zwar nicht alles mit, aber einige Schreie drangen doch bis zu ihnen durch.
»Und dann muß ein Ei mit Weihwasser besprengt und ans Fußende des Bettes gelegt werden, damit das Kind leichter auf die Welt kommt«, fuhr Fergus ungerührt fort. Er runzelte die Stirn.
»Ich habe der Hebamme ein Ei gegeben, aber sie schien nicht zu wissen, was sie damit anfangen sollte. Dabei halte ich es schon seit einem Monat bereit«, fügte er klagend hinzu. »Wo unsere Hennen doch kaum noch legen! Ich wollte sichergehen, daß alles, was gebraucht wird, zur Verfügung steht. Nach der Geburt muß die Hebamme aus der Plazenta einen Tee kochen und der Frau zu trinken geben, damit die Milch reichlich fließt.«
Rabbie gab Geräusche von sich, als müßte er sich erbrechen. »Von der Nachgeburt?« fragte er ungläubig. »Herr im Himmel!«
Jamie wurde selbst ein wenig mulmig bei diesem Gedanken.
»Ach«, sagte er betont beiläufig zu Rabbie. »Die Franzosen essen schließlich auch Frösche und Schnecken. Was ist da schon eine Nachgeburt?« Insgeheim aber fragte er sich, wie lange es noch dauern würde, bis auch sie Frösche und Schnecken aßen. Doch das behielt er lieber für sich.
Rabbie tat so, als müßte er würgen. »Mein Gott, diese Franzosen!«
Fergus, der neben Rabbie stand, wirbelte herum und hieb ihm die Faust in den Bauch. Zwar war er klein und schmächtig für sein Alter, aber er besaß Kraft und wußte aus seiner Zeit als Taschendieb in den Straßen von Paris, wo der schwächste Punkt eines Mannes war. Der Hieb raubte Rabbie den Atem, und mit einem matten Keuchen sank er in sich zusammen.
»Wo bleibt dein Respekt?« schimpfte Fergus. Rabbies Gesicht färbte sich rot, und er schnappte nach Luft. Seine Augen quollen hervor, und er sah so komisch aus, daß Jamie sich trotz seiner Sorge um Jenny und seines Ärgers über die Jungen kaum das Lachen verkneifen konnte.
»Wenn Ihr Lausejungen eure
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