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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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in meiner Kehle kehrte wieder, und ich beugte mich über den Medizinkasten, um mein Gesicht zu verbergen. Die Aussichten, daß Laoghaire Marsali je wiedersehen würde, waren nicht viel besser als meine, Brianna wiederzusehen.
    »Hier.« Ich zog einen großen, gereinigten Schwamm heraus, nahm eins der scharfen Messer aus der Halterung im Deckel des Kastens und schnitt sorgfältig mehrere dünne Stücke mit einem Durchmesser von etwa acht Zentimetern ab. Wieder suchte ich in meinem Kasten, bis ich das Fläschchen mit dem Gänsefingerkrautöl fand. Unter Marsalis erstaunten Blicken tränkte ich einen Schwamm damit.
    »Gut«, sagte ich. »Diese Menge Öl brauchst du. Wenn du kein Öl hast, kannst du den Schwamm auch in Essig tauchen - notfalls würde sogar Wein gehen. Den kleinen Schwamm steckst du dir rein, bevor du mit einem Mann ins Bett gehst.«
    Marsali nickte mit großen Augen und stupste den Schwamm sachte an. »Aye? Und - und danach? Muß ich ihn gleich wieder rausholen oder -«
    Ein jäher Ruf von oben setzte unserem Gespräch ein Ende. Die Artemis legte sich plötzlich auf die Seite - die Hauptsegel wurden gewendet. Da oben stimmte etwas nicht.
    »Das sage ich dir später.« Ich schob Marsali den Schwamm und das Fläschchen hin und stürzte auf den Gang hinaus.
    Jamie stand neben dem Kapitän auf dem Achterdeck und beobachtete ein großes Schiff, das auf uns zuhielt. Es war ein Dreimaster, etwa dreimal so groß wie die Artemis , mit einem regelrechten Wald aus Takelage und Segeln, durch den schwarze Gestalten hüpften wie Flöhe auf einem Bettlaken. Eine weiße Rauchwolke zog hinter dem Kriegsschiff her - offenbar war vor kurzem eine Kanone abgefeuert worden.

    »Schießen die auf uns?« fragte ich erstaunt.
    »Nein«, entgegnete Jamie grimmig. »Das ist nur ein Warnschuß. Sie wollen uns entern.«
    »Können die das?« Ich richtete meine Frage an Kapitän Raines, der noch bedrückter als sonst aussah.
    »Das können sie«, sagte er. »Bei einer so steifen Brise wie jetzt, können wir ihr auf offener See nicht davonsegeln.«
    »Was für ein Schiff ist das?« Die Flagge, die oben am Mast wehte, sah gegen die Sonne tiefschwarz aus.
    Jamie sah mich ausdruckslos an. »Ein britisches Kriegsschiff, Sassenach. Vierundsiebzig Kanonen. Vielleicht solltest du lieber nach unten gehen.«
    Das war keine gute Nachricht. Der Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich war inzwischen beendet, doch die Beziehungen zwischen beiden Ländern konnte man keinesfalls als freundschaftlich bezeichnen. Die Artemis war zwar bewaffnet, hatte aber nur vier Zwölfpfundkanonen. Das reichte aus, um kleine Piratenschiffe abzuschrecken, aber mit einem Kriegsschiff konnte sie es nicht aufnehmen.
    »Was mögen sie von uns wollen?« fragte Jamie den Kapitän. Raines schüttelte den Kopf.
    »Wahrscheinlich wollen sie Matrosen schanghaien«, antwortete er. »Sie haben zu wenig Leute. Das erkennt man an der Takelage, und das Vorderdeck sieht übel aus«, bemerkte er mißbilligend, ohne die Fregatte aus den Augen zu lassen, die bedrohlich auf uns zusteuerte. Er warf Jamie einen Blick zu. »Sie können jeden unserer Leute schanghaien, der wie ein Brite aussieht - und das ist ungefähr die Hälfte der Mannschaft. Auch Sie, Mr. Fraser - oder wollen Sie sich als Franzose ausgeben?«
    »Verdammt«, sagte Jamie leise. Stirnrunzelnd sah er mich an. »Hab’ ich dir nicht gerade gesagt, du sollst runtergehen?«
    »Hast du«, entgegnete ich, ohne mich vom Fleck zu rühren. Statt dessen trat ich näher zu ihm und beobachtete, wie von dem Kriegsschiff ein Beiboot zu Wasser gelassen wurde. Ein Offizier, dessen Hut und Rock mit goldener Litze aufgeputzt waren, kletterte an der Seite hinunter.
    »Was passiert denn mit den britischen Matrosen, die sie in ihre Dienste pressen?« fragte ich.

    »Sie müssen an Bord der Porpoise - so heißt das Schiff«, er deutete auf das Kriegsschiff, auf dem ein Tümmler als Galionsfigur prangte, »als Mitglieder der Königlichen Marine Dienst tun. Im nächsten Hafen werden die zwangsrekrutierten Seeleute dann wieder freigelassen - oder auch nicht.«
    »Was? Sie meinen, die Briten können einfach Leute entführen und sie als Matrosen arbeiten lassen, solange es ihnen gefällt?« Jähe Furcht packte mich bei dem Gedanken, daß Jamie plötzlich mitgenommen werden könnte.
    »Das können sie«, erklärte der Kapitän knapp. »Und wenn sie es tun, haben wir alle Hände voll zu tun, Jamaika zu erreichen - mit halber Besatzung.« Abrupt

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