Ferne Ufer
verweilte noch einen Augenblick, um Mr. Willoughby mitzuteilen, daß weitere Bemerkungen über europäische Frauen ihn, Fergus, veranlassen würden, Willoughby mit seinem eigenen Zopf zu erdrosseln.
Mr. Willoughby ignorierte diese Drohung ebenso wie alle anderen Bemerkungen. Er starrte nur vor sich hin, und sowohl die Erinnerungen als auch der Grog ließen seine schwarzen Augen glänzen. Schließlich stand Jamie auf und half mir von meinem Segelkasten herunter.
Als wir gerade gehen wollten, griff sich der Chinese zwischen die Beine. Völlig frei von Lüsternheit nahm er seine Hoden in die Hand.
»Manchmal«, sagte er wie im Selbstgespräch, »glaube ich, das war es nicht wert.«
46
Die Porpoise
Seit einiger Zeit schon hatte ich bemerkt, daß Marsali versuchte, ihren Mut zusammenzunehmen und mit mir zu sprechen. Damit hatte ich ohnehin gerechnet, denn ganz gleich, was sie für mich empfinden mochte, ich war neben ihr die einzige Frau an Bord. Ich tat mein Bestes, sie zu ermutigen, indem ich sie freundlich anlächelte und »Guten Morgen« sagte, aber der erste Schritt mußte von ihr kommen.
Einen Monat nach unserer Abreise aus Schottland tat sie ihn schließlich.
Ich saß in unserer Kajüte und machte mir Aufzeichnungen zu einer kleinen Amputation, die ich vorgenommen hatte - ein Matrose auf dem Vorderdeck hatte sich zwei Zehen zerquetscht. Ich hatte gerade eine Skizze des Eingriffs fertiggestellt, als ein Schatten den Kajüteneingang verdunkelte. Ich blickte auf und sah Marsali dort stehen, das Kinn kampfeslustig vorgereckt.
»Ich muß etwas wissen«, erklärte sie mit Nachdruck. »Ich mag dich nicht, und ich denke, das weißt du auch.« Offenbar betrachtete sie mich immerhin als Familienmitglied, so daß sie das vertrauliche Du für angebracht hielt. »Aber Papa sagt, du bist eine weise Frau, und ich glaube, du bist aufrichtig, auch wenn du eine Hure bist, also sagst du es mir vielleicht.«
Auf diese bemerkenswerte Aussage wären verschiedene Antworten möglich gewesen, doch ich übte mich in Zurückhaltung.
»Kann sein.« Ich legte die Feder weg. »Was willst du denn unbedingt wissen?«
Da ich offensichtlich nicht wütend war, trat sie ein und ließ sich auf einem Hocker nieder.
»Es geht um Kinder«, erklärte sie. »Wie man sie bekommt.«
Ich zog die Brauen hoch. »Hat dir deine Mutter denn nicht gesagt, woher die kleinen Kinder kommen?«
Sie schnaubte ungeduldig und entgegnete mit verächtlichem Stirnrunzeln: »Natürlich weiß ich das! Das weiß doch jeder Dummkopf. Du läßt einen Mann seinen Schwanz zwischen deine Beine stecken, und neun Monate später bezahlst du die Rechnung. Nein, ich will wissen, wie man sie nicht bekommt.«
»Verstehe.« Ich betrachtete sie neugierig. »Du willst kein Kind?…. Ah, sobald du rechtmäßig verheiratet bist, meine ich? Die meisten jungen Frauen denken da anders.«
»Na ja«, entgegnete sie bedächtig und verdrehte einen Zipfel ihres Kleides. »Ich glaube, ich möchte vielleicht später mal ein Kind. Einfach, um ein Kind zu haben. Wenn es so schwarze Haare hätte wie Fergus.« Ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, aber dann wurden ihre Züge wieder hart.
»Aber ich kann nicht«, sagte sie.
»Warum nicht?«
Nachdenklich verzog sie den Mund. »Wegen Fergus. Wir haben noch nicht beieinander gelegen. Nichts als Küsse hinter einem Lukendeckel - das haben wir Papa zu verdanken und seinen verdammten Grundsätzen«, fügte sie bitter hinzu.
»Amen«, bemerkte ich mit gequälter Miene.
»Wie bitte?«
»Vergiß es.« Ich tat die Bemerkung mit einer Handbewegung ab. »Was hat das damit zu tun, daß du kein Kind willst?«
»Ich möchte, daß es mir gefällt«, erklärte sie sachlich, »wenn er bei mir liegt.«
Ich biß mir auf die Lippen.
»Ich… ich könnte mir vorstellen, daß Fergus einen gewissen Einfluß darauf hat, aber was das nun mit den Kindern zu tun haben soll, verstehe ich nicht ganz.«
Marsali musterte mich abschätzend.
»Fergus mag dich«, sagte sie.
»Ich ihn auch«, entgegnete ich vorsichtig, da ich mir nicht ganz sicher war, worauf sie hinauswollte. »Ich kenne ihn schon ziemlich lange - seit er ein kleiner Junge war.«
Plötzlich wich ihre Nervosität, und ihre schmalen Schultern entspannten sich etwas.
»Oh. Dann weißt du es also - wo er geboren wurde?«
Plötzlich begriff ich ihre Zurückhaltung.
»In einem Bordell in Paris? Ja, darüber weiß ich Bescheid. Er hat es dir also gesagt?«
»Aye, schon vor langer Zeit,
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