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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Vergnügen beraten, Kapitän«, erklärte Jamie mit Nachdruck. »Aber ich fürchte, Sie kann nicht an Bord Ihres Schiffes kommen.«
    »Sind Sie sicher?« Kapitän Leonard sah uns verzweifelt an. »Wenn sie meine Mannschaft wenigstens kurz untersuchen könnte…«
    »Nein«, sagte Jamie, und im selben Augenblick erwiderte ich: »Ja, natürlich.«
    Kurze Zeit herrschte betretenes Schweigen. Dann erhob sich Jamie und sagte höflich: »Sie entschuldigen uns, Kapitän Leonard?« Er zog mich in den hinteren Laderaum.
    »Bist du verrückt?« fuhr er mich an, ohne meinen Arm loszulassen. »Willst du etwa ein Schiff betreten, auf dem die Pest wütet? Dein Leben und das der Mannschaft und Ians auf Spiel setzen, nur für eine Horde Engländer?«
    »Das ist nicht die Pest.« Ich versuchte mich von ihm freizumachen. »Und ich würde auch nicht mein Leben aufs Spiel setzen. Laß meinen Arm los, du verdammter Schotte!«
    Er gab mich frei, versperrte mir aber den Weg zur Leiter und blickte mich finster an.
    »Hör zu«, sagte ich, um Geduld ringend. »Das ist nicht die Pest.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß es Typhus ist - der Ausschlag läßt darauf schließen. Ich werde mich nicht anstecken, ich bin dagegen geimpft.«
    Ein Schatten des Zweifels huschte über sein Gesicht. Trotz meiner Erklärungen war er immer noch geneigt, Keime und Impfstoffe dem Bereich der Schwarzen Magie zuzuordnen.
    »Aye?« meinte er skeptisch. »Das mag sein, aber…«
    »Sieh mal.« Ich suchte verzweifelt nach den rechten Worten. »Ich bin Ärztin. Sie sind krank, und ich kann etwas dagegen tun. Ich… es ist… ich muß es einfach tun, das ist alles!«
    Nach der Wirkung zu urteilen, war diese Erklärung nicht wortreich genug. Jamie zog die Brauen hoch, als erwarte er eine Fortsetzung.
    Ich holte tief Luft. Wie sollte ich es erklären - den Drang, etwas zu tun, den Zwang zu heilen? Auf seine Weise hatte Frank das verstanden. Gewiß gab es eine Möglichkeit, es auch Jamie klarzumachen.
    »Ich habe einen Eid geleistet«, sagte ich. »Als ich Ärztin wurde.«
    »Einen Eid? Was für einen Eid?«
    Ich hatte ihn nur ein einziges Mal laut gesprochen. Aber in meinem Büro hing der Text eingerahmt an der Wand. Frank hatte ihn mir geschenkt, als ich mein Examen ablegte. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, schloß die Augen und zitierte aus dem Gedächtnis:
    »Ich schwöre, Apollon den Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen anrufend, daß ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Verpflichtung erfüllen werde… Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht. Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu zu raten… Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren… Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechtes und jeder anderen Schädigung, auch aller Werke der Wollust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven. Was ich bei der Behandlung sehe oder höre werde ich verschweigen und
solches als ein Geheimnis betrachten. Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht verletze, möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg zuteil werden und Ruhm bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, das Gegenteil.«
    Als ich die Augen wieder öffnete, sah er mich nachdenklich an. »Äh… teilweise ist es rein traditionell«, erklärte ich.
    Seine Mundwinkel zuckten. »Ich verstehe«, sagte er. »Nun, der erste Teil klingt ein bißchen heidnisch, aber die Stelle, wo du schwörst, niemanden zu verführen, gefällt mit gut.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, bemerkte ich trocken. »Ich bin jedenfalls keine Gefahr für Kapitän Leonards Tugend.«
    Er lachte auf, lehnte sich an die Leiter und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
    »Ist das so üblich in der Zunft der Ärzte?« fragte er. »Ihr fühlt euch verpflichtet, jedem zu helfen, der euch ruft, selbst einem Feind?«
    »Das macht keinen großen Unterschied - wenn sie krank oder verletzt sind.« Verständnis heischend sah ich ihm ins Gesicht.
    »Aye«, erwiderte er bedächtig. »Auch ich habe hin und wieder einen Eid geleistet - und ich habe keinen auf die leichte Schulter genommen.« Er griff nach meiner Hand und ließ seine

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