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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wieder sinken.
    »Ich habe Ihrem Gatten versprochen, daß die Marine für Ihre Unterbringung auf Jamaika Sorge trägt, bis die Artemis dort eintrifft.«
    Er zuckte zusammen, als er meinen Gesichtsausdruck sah. Offenbar fürchtete er einen tätlichen Angriff - und zwar nicht ganz grundlos.
    »Was soll das?« zischte ich. »Soll das heißen, daß J… daß Mr. Malcolm Ihnen erlaubt hat, mich zu entführen?«

    »Äh… nein. Das hat er nicht.« Der Kapitän fand das Gespräch offenbar ziemlich nervenaufreibend. Er zog ein schmutziges Taschentuch aus der Tasche und wischte sich damit Stirn und Nacken ab. »Ich fürchte, er wollte gar nicht mit sich reden lassen.«
    »Aha? Nun gut, ich lasse auch nicht mit mir reden!« Ich stampfte mit dem Fuß auf und verfehlte seine Zehen nur, weil er flink zurücksprang. »Wenn Sie denken, daß ich Ihnen helfe, Sie niederträchtiger Entführer, haben Sie sich gründlich getäuscht!«
    Der Kapitän steckte sein Taschentuch ein und bekam wieder seinen verbissenen Ausdruck. »Mrs. Malcolm. Sie zwingen mich, Ihnen zu sagen, was ich auch Ihrem Gatten bereits klargemacht habe. Die Artemis segelt unter französischer Flagge und mit französischen Papieren, aber über die Hälfte der Besatzung besteht aus Engländern und Schotten. Ich hätte diese Männer in unseren Dienst pressen können - und ich hätte sie dringend brauchen können. Statt dessen habe ich mich bereit erklärt, sie unbehelligt zu lassen, wenn Sie uns als Gegenleistung Ihre medizinischen Kenntnisse zur Verfügung stellen.«
    »Also haben Sie beschlossen, an ihrer Stelle mich zu schanghaien. Und mein Mann hat diesem Handel… zugestimmt ?«
    »Nein, das hat er nicht«, entgegnete der junge Mann ungerührt. »Der Kapitän der Artemis hingegen fand meine Argumente überzeugend.« Er blinzelte mich an; seine geschwollenen Augen verrieten, daß er viele Nächte nicht geschlafen hatte, und die weite Jacke schlackerte um seinen schlanken Körper. Trotz seiner Jugend und seines heruntergekommenen Äußeren strahlte er eine gewisse Würde aus.
    »Ich bitte Sie um Verzeihung, denn mein Verhalten muß Ihnen im höchsten Maße unhöflich erscheinen, Mrs. Malcolm - aber die Wahrheit ist, daß ich verzweifelt bin«, sagte er schlicht. »Sie sind unsere einzige Rettung. Mir bleibt keine andere Wahl.«
    Die Antwort, die mir auf der Zunge lag, schluckte ich hinunter. Trotz meiner Wut - und meines Unbehagens, wenn ich daran dachte, was Jamie bei unserem Wiedersehen sagen würde - konnte ich den Kapitän verstehen. Zweifellos lief er Gefahr, den größten Teil seiner Mannschaft zu verlieren, wenn ihm niemand beistand. Und selbst wenn ich ihm half, würden einige der Leute sterben - aber daran wollte ich jetzt lieber nicht denken.

    »Gut«, entgegnete ich schließlich mit zusammengebissenen Zähnen. »In Ordnung!« über die Reling warf ich einen letzten Blick auf die Artemis . Ich neigte zwar nicht zur Seekrankheit, aber mir wurde dennoch flau im Magen, als ich das Schiff - und Jamie - in der Ferne entschwinden sah. »Offenbar bleibt auch mir keine andere Wahl. Ich brauche alle Männer, die Sie erübrigen können, um die Zwischendecks zu schrubben - und haben Sie Alkohol an Bord?«
    Überrascht sah er mich an. »Alkohol? Wir haben Rum für den Grog der Matrosen, und vielleicht auch etwas Wein. Reicht das?«
    »Wenn Sie sonst nichts haben, muß es reichen.« Ich versuchte, meine Gefühle so gut es ging zu unterdrücken, um die Lage in den Griff zu bekommen. »Wahrscheinlich muß ich mit dem Proviantmeister sprechen?«
    »Ja, natürlich, kommen Sie mit.« Leonard ging auf einen Niedergang zu, der unter Deck führte, besann sich dann aber, trat errötend zurück und ließ mir mit einer verlegenen Geste den Vortritt - wohl damit er nicht in die peinliche Lage kam, beim Hinuntersteigen meine Beine zu betrachten, dachte ich und biß mir halb wütend, halb amüsiert auf die Lippen.
    Als ich gerade unten angekommen war, hörte ich oben ein Stimmengewirr.
    »Nein, der Kapitän darf jetzt nicht gestört werden! Was du ihm zu sagen hast, muß -«
    »Laß mich! Wenn ich jetzt nicht mit ihm sprechen darf, ist es zu spät!«
    Dann hörte ich Kapitän Leonards Stimme. Sie klang plötzlich scharf, als er sich an die Eindringlinge wandte. »Stevens? Was soll das? Was ist los?«
    »Gar nichts, Sir«, erklärte der Angesprochene unterwürfig. »Nur daß Tompkins sich sicher ist, daß er den Burschen kennt, der auf dem Schiff war - den großen mit den roten

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