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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Haaren. Er sagt -«
    »Ich habe jetzt keine Zeit«, entgegnete der Kapitän barsch. »Sagen Sie es dem Maat, Tompkins. Ich werde mich später darum kümmern.«
    Natürlich war ich inzwischen die Leiter schon halb wieder hochgeklettert und lauschte aufmerksam.
    Die Luke verdunkelte sich, als Leonard herunterstieg. Der junge
Mann musterte mich scharf, aber ich sagte nur mit betont ausdrucksloser Miene: »Haben Sie noch ausreichend Lebensmittelvorräte, Kapitän? Die Kranken müssen äußerst sorgfältig verköstigt werden. Milch werden Sie wohl kaum an Bord haben, aber -«
    »Wir haben Milch«, erklärte er beinahe fröhlich. »Wir haben sogar sechs Milchziegen. Die Frau des Ersten Kanoniers, Mrs. Johansen, kümmert sich großartig um die Tiere. Ich schicke sie zu Ihnen, sobald wir mit dem Proviantmeister gesprochen haben.«
    Kapitän Leonard stellte mich Mr. Overholt, dem Proviantmeister, vor und wies ihn an, mir alles zur Verfügung zu stellen, was ich benötigte. Mr. Overholt, ein kleiner, rundlicher Mann mit einer glänzenden Halbglatze, beäugte mich neugierig und jammerte dann leise, daß gegen Ende einer Ozeanüberquerung alles zur Neige gehe und wie schrecklich die Lage sei, aber ich schenkte ihm nur wenig Aufmerksamkeit. Nach dem Wortwechsel, den ich soeben belauscht hatte, war ich viel zu erregt.
    Wer war dieser Tompkins? Die Stimme war mir völlig fremd, und auch den Namen hatte ich ganz bestimmt noch nie gehört. Noch wichtiger war jedoch die Frage, was er über Jamie wußte. Und was würde Kapitän Leonard tun, nachdem er Tompkins’ Geschichte gehört hatte? Wie die Dinge lagen, konnte ich im Augenblick nichts tun als meine Ungeduld zügeln, sinnlose Spekulationen zurückzustellen und mich darauf konzentrieren, welche Vorräte Mr. Overholt für die Verpflegung der Kranken zu bieten hatte.
    Wie sich bald herausstellte, war es nicht viel.
    »Nein, gepökeltes Rindfleisch können sie auf keinen Fall essen«, erklärte ich mit Nachdruck. »Zwieback auch noch nicht. Wenn wir ihn in abgekochter Milch einweichen, könnten wir ihn allenfalls für die Genesenden verwenden. Aber zuvor müssen Sie die Getreidekäfer entfernen«, fügte ich hinzu.
    »Fisch«, schlug Mr. Overholt ziemlich entmutigt vor. »Auf dem Weg in die Karibik stoßen wir oft auf große Makrelenschwärme. Manchmal hat die Besatzung Glück beim Angeln.«
    »Vielleicht wäre das das Richtige«, erwiderte ich geistesabwesend. »Abgekochte Milch und Wasser reichen fürs erste, aber wenn sich die Männer langsam wieder erholen, brauchen sie etwas
Leichtes und Nahrhaftes - Suppe zum Beispiel. Ich nehme an, wir könnten Fischsuppe zubereiten, wenn Sie sonst nichts Geeignetes haben?«
    »Nun…« Mr. Overholt fühlte sich anscheinend nicht besonders wohl in seiner Haut. »Wir haben noch eine kleinere Menge Trockenfeigen, zehn Pfund Zucker, etwas Kaffee, Kekse und ein großes Faß Madeira, aber das können wir selbstverständlich nicht nehmen.«
    »Warum nicht?« wollte ich wissen. Mr. Overholt scharrte verlegen mit den Füßen.
    »Weil diese Vorräte unserem Passagier vorbehalten sind«, erklärte er.
    »Welchem Passagier?« fragte ich verdutzt.
    Mr. Overholt schien überrascht. »Hat es Ihnen der Kapitän nicht gesagt? Mit uns reist der neue Gouverneur von Jamaika. Das ist der Grund - einer der Gründe«, korrigierte er sich, wobei er sich nervös die Glatze abwischte, »für unsere Eile.«
    »Wenn der Gouverneur selbst nicht krank ist, kann er gepökeltes Rindfleisch essen«, erklärte ich mit Nachdruck. »Das wird ihm gewiß nicht schaden. Und nun lassen Sie den Wein bitte in die Kombüse bringen, ich habe viel zu tun.«
     
    Unterstützt von einem der verbliebenen Seekadetten, einem kleinen, stämmigen Burschen mit kurzgeschorenen braunen Locken namens Pound, machte ich meine Runde durch das Schiff und bemächtigte mich dabei skurpellos sämtlicher Vorräte und Arbeitskräfte, die ich brauchte. Pound, der wie eine kleine, bissige Bulldogge neben mir her trottete, teilte den überraschten und aufgebrachten Köchen, Zimmerleuten, Matrosen, Schwabberern, Segelmachern und Lagerverwaltern mit, daß alle meine Anweisungen - wie unsinnig sie auch scheinen mochten - umgehend zu befolgen seien, und zwar auf Befehl des Kapitäns.
    Am wichtigsten war die Quarantäne. Sobald die Zwischendecks geschrubbt und gelüftet waren, mußten die Kranken wieder hinuntergebracht werden, allerdings sollte zwischen den Hängematten genügend Platz freibleiben. Wer sich noch

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