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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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weitere Seekadetten auf mich warteten.
    »Es ist Typhus.« Ich war meiner Sache so sicher, wie es ohne Mikroskop und Blutuntersuchung möglich war.
    »Oh?« Trotz seiner Erschöpfung blickte mich der Kapitän aufmerksam an. »Wissen Sie, was in diesem Fall zu tun ist, Mrs. Malcolm?«
    »Ja, aber es wird nicht leicht sein. Die Kranken müssen nach oben gebracht und gründlich gewaschen werden, dann brauchen sie ein Lager an der frischen Luft und sorgfältige Pflege. Sie benötigen flüssige Kost - und viel Wasser - abgekochtes Wasser - das ist
überaus wichtig! Um das Fieber zu senken, sind regelmäßige Waschungen nötig. Aber vor allem gilt es zu verhindern, daß sich weitere Besatzungsmitglieder anstecken. Es müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden -«
    »Ergreifen Sie sie«, fiel er mir ins Wort. »Ich werde Befehl erteilen, daß Ihnen alle gesunden Männer zur Hand gehen, die wir erübrigen können. Ordnen Sie selbst alles Nötige an.«
    »Gut.« Zweifelnd ließ ich den Blick über die Umstehenden schweifen. »Ich kann einen Anfang machen und Ihnen sagen, wie Sie weiter vorgehen müssen, aber es gibt viel zu tun. Kapitän Raines und mein Mann sind in großer Eile.«
    »Mrs. Malcolm«, entgegnete der Kapitän. »Ich werde Ihnen für jegliche Hilfe, die Sie uns leisten können, ewig dankbar sein. Auch wir müssen auf schnellstem Wege nach Jamaika, aber wenn der Rest meiner Mannschaft nicht von dieser teuflischen Krankheit verschont bleibt, werden wir die Insel niemals erreichen.« Er sprach mit solchem Ernst, daß ich plötzlich Mitleid mit ihm hatte. »In Ordnung«, stimmte ich seufzend zu. »Schicken Sie mir für den Anfang ein Dutzend gesunde Matrosen.«
    Ich kletterte aufs Achterdeck, ging an die Reling und winkte Jamie zu, der am Steuerrad der Artemis stand. Trotz der Entfernung konnte ich sein Gesicht klar erkennen. Es sah sorgenvoll aus, doch als er mich erblickte, lächelte er mich strahlend an.
    »Kommst du jetzt runter?« rief er mir zu.
    »Noch nicht!« schrie ich zurück. »Ich brauche zwei Stunden!« Um zu verdeutlichen, was ich meinte, hielt ich zwei Finger in die Höhe. Als ich von der Reling zurücktrat, sah ich noch, wie sich seine Miene wieder verdüsterte. Er hatte mich verstanden.
    Ich sorgte dafür, daß die Kranken aufs Achterdeck gebracht wurden. Einige Seeleute mußten ihnen ihre schmutzigen Sachen ausziehen und sie mit Meerwasser aus der Pumpe abspritzen und abwaschen. Währenddessen begab ich mich in die Kombüse und erklärte dem Koch und seinen Helfern, wie sie die Krankenkost zubereiten mußten. Da spürte ich plötzlich, wie das Deck unter meinen Füßen erbebte.
    Der Smutje, mit dem ich gerade sprach, streckte eine Hand aus und schlug hastig die Schranktür hinter ihm zu. Flink griff er nach einem Topf, der aus dem Regal zu springen drohte, warf einen
großen Schinken in den unteren Schrank und wirbelte herum, um einen Deckel auf den brodelnden Topf zu setzen, der über dem Kombüsenfeuer hing.
    Erstaunt starrte ich ihn an. Auf der Artemis hatte ich Murphy immer dann denselben merkwürdigen Tanz aufführen sehen, wenn das Schiff den Kurs wechselte oder ablegte.
    Ich hastete mit größter Eile zum Achterdeck. Das Schiff nahm Fahrt auf; die Porpoise war zwar groß und solide, doch ich spürte das Beben, das den Kiel erfaßte.
    Als ich aufs Deck gelangte, sah ich über mir eine Wolke von Segeln, und hinter mir die Artemis , die immer mehr zurückfiel. Kapitän Leonard stand beim Steuermann, der den Männern in der Takelage Kommandos zubrüllte, und blickte der Artemis nach.
    »Was machen Sie da?« rief ich. »Sie verdammter Bastard. Was geht hier vor?«
    Ziemlich verlegen, aber mit einem halsstarrigen Zug um den Mund, sah mich der Kapitän an.
    »Wir müssen auf schnellstem Wege nach Jamaika«, erklärte er. Wären seine Wangen nicht ohnehin vom Seewind gerötet gewesen, so wäre er in diesem Moment gewiß rot geworden. »Es tut mir leid, Mrs. Malcolm - ich bedaure die Notwendigkeit sogar zutiefst, aber -«
    »Aber nichts!« entgegnete ich wütend. »Ändern Sie den Kurs! Drehen Sie bei! Werfen Sie den Anker aus, verdammt noch mal! Sie können mich doch nicht einfach entführen!«
    »Ich bedaure die Notwendigkeit«, wiederholte er verbissen. »Aber ich glaube, daß wir Ihre Dienste weiterhin äußerst dringend benötigen, Mrs. Malcolm. Seien Sie unbesorgt.« Er streckte die Hand aus, als wollte er meine Schulter tätscheln, besann sich dann aber eines Besseren und ließ den Arm

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