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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nicht angesteckt hatte, mußte auf Deck übernachten und separate Toiletten benutzen. In der Kombüse hatte ich zwei große Kessel gesehen, die ich
für geeignet hielt. Ich notierte den Punkt auf der Liste, die ich in Gedanken führte, und hoffte im stillen, daß der Chefkoch nicht ebenso eifersüchtig über seine Gefäße wachte wie Murphy.
    Ich folgte Pound in den Laderaum hinunter, um ausgediente Segel zu holen, aus denen wir Lappen machen konnten. Ich war nur halb bei meiner Liste. Mich beschäftigte die Ursache der Infektion. Typhus wird von einer Salmonellenart hervorgerufen und durch orale Aufnahme der Erreger - da Urin und Stuhl eines Erkrankten hochgradig infektiös sind, werden die Erreger oft durch unzureichend gereinigte Hände übertragen - verbreitet.
    Wenn man bedachte, daß Hygiene und Sauberkeit für die Seeleute Fremdwörter waren, konnte jedes Mitglied der Besatzung ursprünglich Überträger der Krankheit sein. Wahrscheinlich war der Schuldige unter denen zu suchen, die das Essen ausgaben, zumal die Krankheit so plötzlich ausgebrochen war und sich so viele angesteckt hatten. Vielleicht war es der Koch oder einer seiner beiden Maate oder einer der Proviantmeister. Ich mußte herausfinden, wie viele Leute mit dem Essen hantierten, welche Messen sie bedienten und ob vor vier Wochen jemand seinen Dienst neu angetreten hatte - nein, vor fünf bis acht Wochen korrigierte ich mich, man mußte auch die Inkubationszeit berücksichtigen.
    »Mr. Pound«, rief ich, und er wandte sich am Fuße der Leiter zu mir um.
    »Ja, Madam?«
    »Mr. Pound - wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?« fragte ich.
    »Elias, Madam.« Er sah mich verwundert an.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie so nenne?« Am Fuße der Leiter angekommen, lächelte ich ihn an. Zögernd erwiderte er mein Lächeln.
    »Nein… Madam. Aber vielleicht würde es den Kapitän stören«, fügte er vorsichtig hinzu. »Bei der Marine redet man sich nicht mit dem Vornamen an, wissen Sie.«
    Elias Pound konnte nicht älter als siebzehn oder achtzehn sein, und Kapitän Leonard schätzte ich auf Mitte Zwanzig. Dennoch, das Protokoll mußte eingehalten werden.
    »In der Öffentlichkeit werde ich mich an die Gepflogenheiten der Marine halten«, versicherte ich ihm und unterdrückte ein
Lächeln. »Aber wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, wäre es leichter, Sie beim Vornamen zu nennen.« Im Gegensatz zu ihm wußte ich, was vor uns lag - stunden-, tage-, vielleicht wochenlange Arbeit bis zur völligen Erschöpfung. Am Ende würden nur strikte Disziplin, blinder Instinkt - und die Führung eines unermüdlichen Chefs - die Krankenpfleger auf den Beinen halten.
    Unermüdlich war ich keineswegs, aber wenigstens die Illusion mußte aufrechterhalten werden. Dies könnte ich durch die Unterstützung von zwei oder drei Helfern, die ich ausbilden würde, erreichen. Sie konnten für mich einspringen, wenn ich selbst Ruhe brauchte. Das Schicksal - und Kapitän Leonard - hatten mir Elias Pound als rechte Hand zugewiesen. Es war das beste, von Anfang an ein gutes Verhältnis zu ihm aufzubauen.
    »Wie lange fahren Sie schon zur See, Elias?« fragte ich, während er sich gerade unter eine niedrige Plattform duckte, auf der eine riesige Kette lag. Jedes ihrer Glieder war zweimal so groß wie meine Faust. Die Ankerkette? Neugierig faßte ich sie an. Sie sah aus, als könnte sie die Queen Elizabeth halten - ein tröstlicher Gedanke.
    »Seit meinem siebten Lebensjahr, Madam.« Einen großen Kasten hinter sich her schleifend, arbeitete er sich rückwärts wieder heraus. Keuchend richtete er sich auf und wischte sich das runde, offene Gesicht ab. »Mein Onkel befehligt die Triton , da konnte er mir einen Platz auf dem Schiff besorgen. Auf der Porpoise tue ich nur für diese eine Fahrt Dienst.« Er öffnete den Kasten, und es kam eine Ansammlung rostiger Operationsinstrumente nebst einem bunten Durcheinander verkorkter Flaschen und Gefäße zum Vorschein. Ein Glasbehälter war zerbrochen und über dem gesamten Inhalt lag eine feine, weiße Staubschicht.
    »Das war die Ausrüstung von Mr. Hunter, dem Schiffsarzt«, erklärte Elias. »Haben Sie Verwendung dafür?«
    »Das weiß nur Gott«, meinte ich und beäugte den Kasten mißtrauisch. »Aber ich sehe mir die Sachen mal an. Beauftragen Sie jemanden, den Kasten ins Schiffslazarett zu bringen, Elias. Sie müssen jetzt mit mir kommen und ein ernstes Wort mit dem Koch reden.«
     
    Während ich die Säuberung des

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