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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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herum - von Culross und Donibristle bis nach Restalrig und Musselburgh -, hörte sich Klatschgeschichten an und suchte nach Anzeichen gesetzwidrigen Treibens.
    Da die Schotten nicht viel von englischen Steuergesetzen hielten, herrschte kein Mangel an Berichtenswertem. Die Maßnahmen, die aufgrund solcher Berichte getroffen wurden, waren jedoch recht unterschiedlich. Kleine Schmuggler, die mit ein, zwei Flaschen unverzollten Rums oder Whiskys auf frischer Tat ertappt wurden, konnten im Schnellverfahren festgenommen, vor den Richter gestellt und verurteilt werden - ihnen blühte eine Zwangsarbeit oder sogar die Deportation, und ihr gesamter Besitz fiel an die Krone.
    Mit den großen Fischen verfuhr Sir Percival allerdings nach Gutdünken. Das heißt, sie durften ansehnliche Bestechungssummen zahlen und genossen dafür das Privileg, unter dem blinden Auge (hier lachte Tompkins hämisch und deutete auf seine entstellte Gesichtshälfte) der königlichen Beamten ihre Tätigkeit fortsetzen.
    »Sir Percival hat der Ehrgeiz gepackt.« Tompkins konnte sich zwar nicht recht entspannen, aber er taute immerhin soweit auf, daß er sich etwas zu mir vorbeugte. »Er steht sich gut mit Dundas und all denen. Wenn alles glattgeht, kann er die Peerswürde erhalten und in den Hochadel aufgenommen werden, verstehen Sie? Aber dafür braucht es mehr als nur Geld.«
    Zustatten kommen würde ihm beispielsweise ein aufsehenerregender Beweis der eigenen Tüchtigkeit und Königstreue.
    »Zum Beispiel eine Verhaftung, bei der die hohen Herren aufhorchen würden. Ooh! Das tut weh, Madam. Wissen Sie, was Sie da machen?« Argwöhnisch beobachtete Tompkins, wie ich die Umgebung der Wunde mit verdünntem Alkohol reinigte.
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Erzählen Sie weiter. Ich vermute, ein einfacher Schmuggler, und sei es auch ein großer Fisch, hätte für diesen Zweck nicht genügt.«
    Offensichtlich nicht. Als Sir Percival jedoch erfuhr, daß er eines politischen Verbrechers größeren Kalibers habhaft werden könnte, war er vor Aufregung nicht mehr zu halten gewesen.
    »Aber Aufwiegelung ist schwerer zu beweisen als Schmuggeln, nicht wahr? Selbst wenn man einen von den kleinen Fischen erwischt, spucken die rein gar nicht aus, was einem weiterbringt. Idealisten
sind das, die Aufwiegler«, meinte Tompkins und schüttelte empört den Kopf. »Die würden einander nicht verpfeifen, die nicht.«
    »Also haben Sie nicht gewußt, nach wem Sie suchen?« Aus einer Büchse nahm ich einen Katzendarmfaden und fädelte ihn ein. Obwohl ich Tompkins’ verängstigten Blick auffing, tat ich nichts, um ihn zu beruhigen. Er sollte ruhig zittern - und plaudern.
    »Nein, wir wußten nicht, wer der große Fisch war - bis ein anderer von Sir Percivals Agenten einen Mitarbeiter Frasers aufspürte, der ihm verriet, es handle sich um Malcolm, den Drucker, und seinen wahren Namen preisgab. Dann war natürlich alles klar.«
    Mein Herzschlag setzte aus.
    »Wer war dieser Mitarbeiter?« fragte ich. Die Namen und Gesichter der sechs Schmuggler schossen mir durch den Kopf - kleine Fische. Sie waren alle sechs keine Idealisten. Aber für welchen von ihnen hatte Treue keinen Wert?
    »Ich weiß es nicht. Nein, bestimmt nicht, das schwöre ich! Autsch!« beteuerte er panisch, als ich ihm die Nadel unter die Haut bohrte.
    »Ich will Ihnen nicht weh tun«, versicherte ich ihm und ließ meine Stimme so falsch wie möglich klingen. »Aber ich muß die Wunde nähen.«
    »Oh! Au! Ich weiß es nicht, auf keinen Fall! Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich’s wüßte, Gott ist mein Zeuge!«
    »Das glaube ich gern«, entgegnete ich, eifrig stichelnd.
    »O bitte, Madam, aufhören! Nur für eine Sekunde! Ich weiß nur eins, er war Engländer! Das ist alles!«
    Ich hielt inne und starrte ihn an. »Engländer?« fragte ich verdutzt.
    »Ja, Madam. Das hat mir Sir Percival gesagt.« Tompkins sah mich mit Tränen in den Augen an. So sanft ich konnte, machte ich einen letzten Stich und verknotete den Faden. Wortlos stand ich auf, schenkte einen kleinen Schluck Weinbrand aus meiner Privatflasche ein und gab ihm einen Becher. Freudig trank er davon und schien sich sogleich zu erholen. Sei es aus Dankbarkeit oder aus Erleichterung, weil die Tortur ein Ende hatte, erzählte er mir den Rest der Geschichte. Auf der Suche nach Beweismaterial hatte er die Druckerei in der Carfax Close aufgesucht.

    »Ich weiß, was dort passiert ist«, versicherte ich ihm und drehte sein Gesicht zum Licht, um die Brandnarben

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