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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sassenach«, sagte er. »Aye, ich bin mir sicher. Es ist das, wo sie am Feuer sitzt.«
    Ich wußte, welches er meinte. Es zeigte Brianna als Jugendliche bei einem Campingausflug an einem Lagerfeuer. Sie hatte die Knie angezogen, die Ellenbogen daraufgestützt und blickte direkt in die Kamera. Allerdings hatte sie nicht bemerkt, wie das Foto aufgenommen wurde: Ihr Gesicht war verträumt.
    »Das muß Geillis genommen haben. Sie hat die Bilder in deinem Rock gefunden, als ich in der Küche war. Dann hat sie es also gestohlen.«
    »Verdammt sei diese Frau!« Mit funkelnden Augen sah Jamie zurück. Seine Hand umklammerte die restlichen Fotos. »Was hat sie damit vor?«
    »Vielleicht ist sie nur neugierig«, erwiderte ich. Aber das Grauen blieb. »Was soll sie schon damit anfangen? Sie hat es wohl kaum genommen, um es jemandem zu zeigen. Wer kommt schon hierher?«
    Anstatt zu antworten, hob Jamie plötzlich den Kopf und griff warnend nach meinem Arm. In einiger Entfernung zeichnete sich als gelber Schlammstreifen eine Wegschleife im grünen Dickicht ab. Und auf dieser Schleife trabte hoch zu Roß eine schwarzgekleidete, eckige Gestalt, ein Mann, kaum größer als eine Ameise.
    Plötzlich fiel mir wieder ein, was Geillis gesagt hatte. Ich erwarte einen Besucher. Und später: Dieser Pfaffe hat sich für vier Uhr angekündigt.
    »Das ist ein Priester, irgendein Pfarrer«, erklärte ich Jamie. »Geillis erwartet ihn.«

    »Nicht nur ein Priester, sondern Archibald Campbell, wie er leibt und lebt«, knurrte Jamie. »Was zum Teufel - oder vielleicht sollte ich diesen Ausdruck im Hinblick auf Mistress Abernathy lieber nicht benutzen.«
    »Vielleicht ist er gekommen, um Geillis den Teufel auszutreiben«, schlug ich mit einem nervösen Lachen vor.
    »Wenn, dann ist er für diese Rolle wie geschaffen.« Die knochige Gestalt verschwand hinter den Bäumen, und nachdem wir sicherheitshalber noch einige Minuten gewartet hatten, kehrten wir zum Weg zurück.
    »Was willst du wegen Ian unternehmen?« fragte ich.
    »Ich brauche Hilfe«, erwiderte er. »Am besten fahre ich mit Innes, MacLeod und den anderen Männern den Fluß hinauf. Nicht weit von der Raffinerie gibt es eine Anlegestelle. Dort binden wir das Boot fest, gehen an Land, kümmern uns um Herkules - und Atlas, wenn er Ärger macht -, brechen den Keller auf, holen Ian und machen uns auf den Rückweg. In zwei Tagen haben wir Neumond. Ich wünschte, es ginge eher, aber so lange werden wir wohl brauchen, bis wir ein geeignetes Boot und die nötigen Waffen aufgetrieben haben.«
    »Und wie wollen wir das bezahlen?« fragte ich rundheraus. Die nötige Anschaffung von Kleidung und Schuhen hatte einen Großteil des Gewinns geschluckt, den Jamie mit der Ladung Guano erzielt hatte. Der Rest würde uns gerade über die nächsten Wochen helfen. Vielleicht reichte er, um für ein, zwei Tage ein Boot zu mieten, aber sicher nicht für eine größere Anzahl Waffen.
    Auf Jamaika wurden weder Pistolen noch Degen hergestellt; alle Waffen mußten aus England eingeführt werden und waren entsprechend teuer. Zwar besaß Jamie noch die zwei Pistolen von Kapitän Raines, aber die Schotten hatten lediglich ihre Fischmesser und das alte Entermesser - also nichts, was sich für einen Überfall eignete.
    Jamie zog eine Grimasse. Dann warf er mir einen vorsichtigen Blick zu.
    »Ich werde John um Hilfe bitten müssen«, sagte er. »Meinst du nicht auch?«
    Ich schwieg einen Moment lang, ehe ich nickte.
    »Ja, das mußt du wohl.« Mir gefiel die Vorstellung nicht, aber
hier ging es nicht um mich, sondern um Ians Leben. »Ach, aber eins noch, Jamie -«
    »Aye, ich weiß schon«, fiel er mir ins Wort. »Du willst uns begleiten, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich lächelte. »Wenn Ian krank oder verletzt ist…«
    »Gut, dann kommst du eben mit«, gab er etwas unwirsch nach. »Du mußt mir nur einen Gefallen tun, Sassenach. Bemüh dich doch bitte, daß du nicht in Stücke gerissen wirst oder sonstwie ums Leben kommst! Denn das wäre verdammt hart für einen Mann mit meinen Gefühlen.«
    »Ich werde mir Mühe geben«, versprach ich ihm. Dann lenkte ich mein Pferd neben ihn, und Seite an Seite ritten wir unter den tropfenden Bäumen auf Kingston zu.

61
    Das Grinsen des Krokodils
    Zu meinem Erstaunen herrschte in dieser Nacht auf dem Fluß großer Verkehr. Lorenz Stern, der darauf bestanden hatte, uns zu begleiten, erklärte, daß der Fluß die wichtigste Verbindung zwischen den Plantagen in den Bergen und Kingston mit

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