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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den Kopf zu ziehen oder sie zu erdrosseln kam leider nicht in Frage. Sein Zorn verebbte allmählich. Sie war zwar unverschämt, aber im Grunde machtlos. Sie konnte ihn kaum in ihr Bett zwingen.
    »Guten Tag, Mylady«, beendete er die Unterhaltung so höflich wie möglich, drehte sich um und machte sich daran, den Mist in die leere Walze zu schaufeln.
    »Wenn Sie sich weigern«, gurrte sie, »werde ich meinem Vater erzählen, daß Sie mir unsittliche Anträge gemacht haben. Dann wird er Sie auspeitschen lassen, daß Ihnen die Haut in Fetzen vom Rücken herunterhängt.«
    Langsam wandte er sich um und starrte auf sie hinunter. Ihre Augen funkelten triumphierend.
    »Ihr Vater mag mich nicht so gut kennen«, meinte er. »Aber Sie kennt er von Geburt an. Sagen Sie ihm das und fahren Sie zur Hölle!«
    Sie plusterte sich auf wie ein Kampfhahn, und ihr Gesicht färbte sich puterrot. »So, meinen Sie?« schrie sie. »Nun gut, dann sehen Sie sich das hier an, dann können Sie zur Hölle fahren!« Sie griff in den Ausschnitt ihres Kleides und zog einen dicken Brief hervor, mit dem sie unter seiner Nase hin- und herwedelte. Ein kurzer Blick reichte, um die Schriftzüge seiner Schwester zu erkennen.
    »Geben Sie her!« Er war vom Karren gesprungen und rannte Hals über Kopf hinter ihr her, aber sie war zu schnell. Bevor er sie packen konnte, saß sie bereits im Sattel, hielt die Zügel in der einen und winkte herablassend mit dem Brief in der anderen Hand.
    »Sie wollen ihn wohl haben, was?«

    »Ja! Geben Sie ihn her.«
    »Ich glaube kaum.« Kokett blickte sie ihn an. Allmählich wich die Zornesröte aus ihrem Gesicht. »Ich muß ihn doch meinem Vater geben, nicht wahr? Er sollte wissen, daß seine Dienstboten heimliche Briefwechsel führen, oder? Ist Jenny Ihr Schatz?«
    »Sie haben meinen Brief gelesen? Verdammtes schmutziges kleines Miststück!«
    »Was für eine Ausdrucksweise«, sagte sie und drohte tadelnd mit dem Brief. »Es ist meine Pflicht, meine Eltern zu unterstützen und sie wissen zu lassen, zu welch schrecklichen Dingen die Dienstboten fähig sind. Und ich bin eine pflichtbewußte Tochter, da ich mich ohne Klagen dieser Heirat unterwerfe.« Spöttisch lächelnd beugte sie sich über den Sattelknauf, und er erkannte mit neu entbrannter Wut, daß sie die Situation genoß.
    »Bestimmt wird Papa den Brief mit großem Interesse lesen«, sagte sie. »Besonders die Sache mit dem Gold, das an Lochiel in Frankreich geschickt werden soll. Gilt es nicht immer noch als Verrat, die Feinde des Königs zu unterstützen?« Boshaft schnalzte sie mit der Zunge. »Wie niederträchtig!«
    Ihm war, als müßte er sich vor lauter Entsetzen auf der Stelle übergeben. Ob sie wohl eine Vorstellung davon besaß, wie viele Menschenleben in ihrer manikürten blassen Hand lagen? Das Leben seiner Schwester, Ians, das der sechs Kinder, der Pächter und Familien von Lallybroch - vielleicht sogar das Leben der Boten, die Geld und Nachrichten zwischen Schottland und Frankreich hin und her trugen und so die Existenz der verbannten Jakobiten sichern halfen.
    Er schluckte, bevor er antwortete. »In Ordnung.« Sie lächelte etwas natürlicher, und er erkannte, wie blutjung sie war. Aye, der Biß einer jungen Natter war ebenso tödlich wie der einer alten.
    »Ich erzähle es nicht weiter«, versicherte sie ihm ernst. »Danach gebe ich Ihnen den Brief zurück und werde niemals über den Inhalt reden. Ehrenwort.«
    »Danke.« Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, um einen vernünftigen Plan zu schmieden. Vernünftig? In das Haus seines Herrn zu gehen, um seiner Tochter die Jungfräulichkeit zu rauben - auf ihren Wunsch? Etwas Unvernünftigeres war ihm bisher noch nie zu Ohren gekommen.
    »In Ordnung«, wiederholte er. »Wir müssen vorsichtig sein.« Mit wachsendem Entsetzen fühlte er sich in die Rolle des Verschwörers gezogen.
    »Ja. Keine Sorge, ich kann meine Zofe wegschicken. Und der Lakai betrinkt sich ohnehin. Er schläft immer vor zehn Uhr ein.«
    »Dann arrangieren Sie es«, sagte er. »Aber wählen Sie einen sicheren Tag.«
    »Einen sicheren Tag?« Verständnislos blickte sie ihn an.
    »Irgendwann in der Woche nach Ihrer Blutung«, erklärte er freiheraus. »Dann ist die Gefahr geringer, daß Sie ein Kind bekommen.«
    »Ach so.« Sie errötete, sah ihn aber interessiert an.
    »Sie hören von mir«, sagte sie schließlich, ließ ihr Pferd eine Kehrtwendung machen und galoppierte über den Acker davon.
     
    Leise und wortreich fluchend kroch

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