Ferne Ufer
Geneva ihn in wenigen Jahren als reiche junge Witwe überlebte. Auf der anderen Seite mochten derartige Überlegungen bei einem eigensinnigen Fräulein von siebzehn Jahren - einem starrköpfigen, verzogenen Miststück, berichtigte er sich, als er ihren verdrießlichen Gesichtsausdruck sah - kein großes Gewicht haben.
»Gewiß handelt Ihr Vater immer in Ihrem besten Interesse, Mylady«, antwortete er steif. Konnte dieses kleine Scheusal nicht endlich verschwinden?
Sie tat es nicht. Sie setzte ein freundlicheres Gesicht auf und stellte sich dicht neben ihn und war ihm im Weg, als er den Riegel zum Beladen der Walze öffnen wollte.
»Aber eine Heirat mit so einem vertrockneten Greis?« sagte sie. »Es ist wirklich herzlos von meinem Vater, mich einer solchen Kreatur zu überlassen.« Sie stand auf Zehenspitzen und blickte Jamie an. »Wie alt sind Sie denn, MacKenzie?«
Einen Augenblick setzte sein Herzschlag aus.
»Um etliches älter als Sie, Mylady«, sagte er bestimmt. »Entschuldigen Sie.« Er trat hinter sie, darum bemüht, sie nicht zu streifen, und schwang sich auf den Dungwagen, wohin sie ihm sicherlich nicht folgen würde.
»Aber noch nicht reif für den Totenacker, oder?« Sie stand jetzt vor ihm, schützte ihre Augen mit der Hand vor der Sonne und blickte zu ihm hoch. »Waren Sie schon mal verheiratet, MacKenzie?«
Er hätte ihr am liebsten eine Schaufel voll Mist über den kastanienbraunen Kopf geschüttet, beherrschte sich aber und stieß statt dessen die Schippe in den Dunghaufen. »Ja«, antwortete er in einem Ton, der zu keiner weiteren Frage ermutigte.
Aber Lady Geneva kümmerten die Gefühle anderer Menschen
herzlich wenig. »Gut«, meinte sie zufrieden. »Dann wissen Sie ja, wie man es macht.«
»Was macht?« Er hörte auf zu schaufeln.
»Im Bett«, erklärte sie gelassen. »Ich will, daß Sie bei mir liegen.«
»Sie haben den Verstand verloren«, sagte Jamie fassungslos. »Das heißt, das müßte ich annehmen, wenn Sie je einen besessen hätten.«
Die Augen in ihrem glühenden Gesicht verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen!«
»Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen?« entgegnete Jamie aufgebracht. »Ein kleines Mädchen aus gutem Hause macht einem Mann, der doppelt so alt ist wie sie, unanständige Anträge. Und noch dazu einem Stallburschen im väterlichen Haus«, fügte er hinzu. Aber als er sich vor Augen führte, daß dieses gräßliche Mädchen wirklich Lady Geneva und er tatsächlich der Stallknecht ihres Vaters war, schluckte er die Bemerkungen hinunter, die er noch auf der Zunge trug.
»Entschuldigen Sie, Mylady«, sagte er und bemühte sich, seinen Zorn zu zügeln. »Die Sonne ist heute recht heiß und hat Ihre Sinne verwirrt. Ich rate Ihnen, sofort zurück ins Haus zu gehen und sich von Ihrer Zofe kalte Tücher auf die Stirn legen zu lassen.«
Lady Geneva stampfte mit ihrem Stiefelchen aus Maroquinleder auf. »Meine Sinne sind überhaupt nicht verwirrt!«
Resolut funkelte sie ihn an. Ihr entschlossener Gesichtsausdruck und das kleine Kinn, das ebenso spitz wie ihre Zähne war, ließen sie so zänkisch aussehen, wie sie sich aufführte, dachte Jamie.
»Hören Sie«, sagte sie. »Ich kann diese scheußliche Heirat nicht verhindern, aber ich…« - sie zögerte, bevor sie entschlossen fortfuhr - »ich will verdammt sein, wenn ich meine Jungfernschaft einem ekelerregenden, verkommenen alten Monster wie Ellesmere opfern soll!«
Jamie rieb sich mit der Hand über den Mund. Trotz seiner Abneigung empfand er etwas Mitleid mit ihr. Aber er wäre verdammt , wollte er es zulassen, daß dieses besessene Weibsbild ihn in ihre Probleme verwickelte.
»Ich bin mir der Ehre voll bewußt, Mylady«, sagte er und schließlich ironisch, »aber ich kann wirklich nicht…«
»Doch, Sie können!« Ihre Augen verharrten freimütig auf seiner schmutzigen Hose. »Betty sagt es.«
Unfähig, ein Wort herauszubringen, stammelte er zunächst vor sich hin, bis er ihr so entschieden wie möglich entgegenhielt: »Betty verfügt nicht über die geringsten Anhaltspunkte, irgendwelche Schlüsse über meine Fähigkeiten zu ziehen. Ich habe das Mädel nie angerührt.«
Geneva lachte erfreut. »Sie haben also nicht bei ihr gelegen? Das hat sie auch behauptet, aber ich dachte, sie wollte vielleicht nur einer Tracht Prügel entgehen. Das ist gut. Ich könnte keinesfalls einen Mann mit meiner Zofe teilen.«
Er atmete schwer. Ihr die Schaufel über
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