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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Motor näher kommen und lief zum Fenster, aber alles war ruhig und still. Nur an einem der ersten Steilhänge, die aus dem Nebel auftauchten, schien mir etwas zu sein, was dort nicht hingehörte. Tatsächlich, es war eine dieser Umkleidekabinen, wie man sie am Meer sieht. Du träumst noch - sagte ich mir -, da kannst du genauso gut zurück ins Bett, und im Halbschlaf verfolgten mich Erinnerungen, die zu haben ich mich gar nicht erinnerte. Wie wir ans Meer gefahren sind, die Mamma und ich - sie hatte mich rechtzeitig vor ihrem Tod noch dorthin mitgenommen -, und die Treppe hinuntergegangen sind, um zum Strand zu gelangen, vorbei an den imposanten Blumentöpfen auf den Balustraden, dann das himmelblaue Wasser vor uns. Ich weiß, dass wir gleich darin schwimmen werden, und sie bindet sich die Haare zusammen, damit sie nicht nass werden. Danach wird sie mir den Sand abwischen und mich inmitten eines Wirbels von glitzerndem Staub in der Badekabine umziehen. Mir ist warm, und ich lasse mir im Hotel schon meine Aranciata schmecken und spiele im Garten mit dem Hund des Pförtners, ja, ich höre ihn sogar bellen, den Hund, und schlage die Augen auf.
    Es ist Genuarios Bracke. Er kläfft die Hütte an, von der ich heute Nacht zu träumen vermeint hatte, die es aber tatsächlich gibt. Auch Fausto, die Nachtigall und Pit sind da; sie tragen das Klosett und die Elektropumpe, die er aus Mailand mit runtergebracht hat, außerdem die Rohre, die wir zusammen geklaut haben, und einen Augenblick später bin auch ich mit von der Partie. Pit hat eine Hacke in der Hand, reicht sie weiter an Vitina, die gleich loshackt. Ich
betrete die Hütte - zuvor aber lese ich noch die Aufschrift oben auf dem weiß-hellblau gestreiften Giebelfeld, und da steht doch tatsächlich: Lido Marilena Salerno . Ich bleibe so lange drinnen, bis ich von den Lichtstrahlen, die durch die Bretter dringen, getroffen werde, genau wie als kleines Kind mit meiner Mamma, und als ich herauskomme, ist Pit schon wieder verschwunden - keinen Augenblick gibt dieser Mann Ruhe. Ich entwische in Richtung Haus, hüpfe die Stufe hinauf und laufe ihm direkt in die Arme: Er hat ein Handtuch über der Schulter und ein Fläschchen in der Hand. Mit der anderen Hand fährt er mir durchs Haar und sagt: »Tscharlz, du hast auch ein Bad nötig … komm mit!« Im Auto dreht er den Zündschlüssel herum. Er sagt: »Scheiße«, weil nach den vielen Stunden, die ich den Plattenspieler habe laufen lassen, der Motor nicht anspringt.
    Ich kam mir vor wie ein ausgebuffter Abenteurer, als wir, nachdem wir das Auto angeschoben hatten, wieder hineinsprangen. Es röchelte noch ein bisschen, bis es sich in Bewegung setzte, und ein Dutzend Kilometer weiter stellten wir es irgendwo an einem Abhang ab. Den Rest der Strecke, ein Labyrinth dicht belaubter Wege, die zum Fluss führten, legten wir zu Fuß zurück. Pit ließ das Handtuch auf die runden Steine fallen. Dann warf er einen Kamm darauf, den er zusammen mit dem prall gefüllten Portemonnaie aus der Gesäßtasche seiner Jeans hervorgekramt hatte. Schließlich zog er sich mit einer raschen Bewegung das T-Shirt von der unbehaarten muskulösen Brust und schlüpfte aus Hose und Unterhose. Ich starrte fasziniert auf das Gold seines Schamhaars, auf seinen großen, langen, glatten Schwanz mit Linksdrall. »Was ist?«, fragte er. »Zieh dich aus, los.« Ich gehorchte, aber der Mut, auch die Unterhose auszuziehen, fehlte mir denn doch. »Zieh sie aus, sonst hast du nachher die Hose nass«, sagte er und ging mit sicherem Schritt auf das grünliche Wasser zu.
    Ich blickte mich um, nahm die Brücke hoch oben ins Visier, die Straße, die Autos, die darüberbrausten, das gelbe Haus mit den Bettlaken über der Wäscheleine. Ich fragte: »Und wenn man uns sieht?«

    Er drehte sich in Richtung des Hauses. »Na wenn schon, dann erfreuen sie sich eben an dem Anblick … Los, hinein mit dir«, und obwohl mir die Fußsohlen auf den Steinen wehtaten, lief ich los - im eigenen Interesse: Verglichen mit ihm hatte ich allen Grund, mich zu schämen. Kopfüber stürzte ich mich ins Wasser und reckte den Hintern in die Luft wie eine ertrunkene Maus. Und ich wäre ertrunken, hätte er mich nicht am Nacken gepackt.
    »Du brauchst nicht alles auszutrinken«, sagte er mit einem Lächeln, und nach ein paar kräftigen Zügen setzte er sich neben mich ans Ufer. Ich hatte seine Schamteile vor mir - so nannte die Großmutter das - und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Er zauste mir

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