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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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ich eine Hand zwischen ihren Schenkeln, vielleicht auch tiefer, was ich aus der Tatsache schloss, dass sie ganz steif wurde. Doch sie starrte auf einen der Bildschirme, die von der Decke herabhingen und die ich zuvor gar nicht bemerkt hatte. Zwei Typen mit Gitarre waren dort zu sehen. Einer der beiden war J. Stewart Sheffield. Er sprach mit leiser Stimme, und als er zu singen anhob, hörte ich nach fast einem Jahr Lonely Angel wieder, und Cybill, meine geliebte Cybill, holte mir einen runter. Dann ließ sie sich mit geschlossenen Augen und total entkräftet auf einen Diwan sinken, und in diesem Augenblick sah ich Sheffield anrücken. Unwillkürlich wollte ich sie auf ihn aufmerksam machen, musste aber feststellen, dass sie eingedöst war.
    Vermutlich hatte er in einem der anderen Säle gespielt. Er war um etliche Kilos dicker, als ich ihn von Charles’ Hochzeit her in Erinnerung hatte, aber dem rothaarigen Playmate, das sich an ihn kuschelte, gefiel er offenkundig trotzdem. Sie setzten sich nicht weit von unserem Tisch entfernt hin, doch selbst nachdem er Autogramme gegeben, Fans die Hände geschüttelt und mit Imponiergehabe ihre banalen Fragen beantwortet hatte, dauerte es noch eine Weile, bis er uns bemerkte. Es dauerte genauso lange, wie man braucht, um den Superbody eines Playmates auszukundschaften, ein halbes Pint Whiskey zu trinken und sich einen Acapulco-Gold-Joint
reinzuziehen, bekanntlich seine Lieblingssorte - er war wirklich in jeder Hinsicht gewöhnlich. Als Cybill aufwachte und wieder anfing, mich zu küssen, und jemand mit der Faust auf unseren Tisch schlug, hatte ich keinerlei Zweifel, wer dieser Jemand war.
    J. Stewart Sheffield fixierte uns von der Höhe seiner einhundertneunzig Zentimeter, obschon ich ihn nie für so riesig gehalten hätte. Wütend brüllte er mehr oder weniger unzusammenhängende Sätze, die aber alle mit demselben Epitheton - bitch - endeten und die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zogen. Ist es möglich, fragten sie sich - »Wende« hin oder her -, dass dieser Rasende J. Stewart Sheffield ist, der Sänger von Peace & Love , der sich so sehr für einen freien Geist in einem freien Körper und die Blumenrevolution engagiert hatte? Jetzt entriss er mir Cybill und versetzte ihr mit dem Handrücken eine kräftige Ohrfeige. In diesem Augenblick sprang ich auf. Ich musste etwas tun - obwohl es angesichts seiner Massigkeit wohl eher J. Stewart Sheffield war, der mir etwas antun würde, aber es gibt nun mal Pflichten, denen ein Mann sich nicht entziehen kann. Da traf mich plötzlich Cybills Blick: Sie strahlte, und ich sah regungslos zu, wie ihr Mann sie wie eine Trophäe hinter sich herzog. Vom anderen Tisch her warf mir die Rothaarige einen gelangweilten Blick zu, dann sah sie sich, eine Locke ihrer duftigen Haare zwischen den Fingern, im Raum um.

    In den darauffolgenden Tagen war ich ungenießbar für alle, und selbst Onkel Richard hielt sich von mir fern. Je mehr ich nachdachte, desto wütender wurde ich. Cybill hatte mich benutzt, und ich hatte mir beinahe einen Faustkampf mit ihrem Mann liefern müssen, um das zu begreifen. Dennoch war die Wut, die ich in mir spürte, nicht groß genug, als dass ich auch nur den geringsten Widerstand geleistet hätte, als sich mir am Abend auf dem Nachhauseweg ein Arm um den Hals presste und mich in eine dunkle Ecke zerrte, wo man mich brutal zusammenschlug. Ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, als ich gerade noch diese Stimme hörte. Tatsächlich brüllte sie, dann zog mich eine Hand an den Haaren
hoch, und dieselbe Stimme sagte: »Ja natürlich, du bist der Carlo Di Lontrone, der von der Maschine … Irgendwie iss mir der Name doch gleich bekannt vorgekommen.«
    Ich erkannte Frank Cargallo nicht sofort wieder - mal abgesehen davon, dass sie mir auch die Brille kaputt geschlagen hatten. Er mich schon, zum Glück. Er lächelte mich so heiter an, als sähe er mich auf einem Klassentreffen wieder, obwohl er mich um ein Haar massakriert hätte. »Aufhören, Tore!«, befahl er dem schieläugigen, geifernden Bodyguardtyp, der irgendwie in meine Richtung stierte und ungeduldig darauf wartete, seine Arbeit wiederaufnehmen zu dürfen, und befreite mich mit einer Geste, die mir geradezu liebevoll vorkam, aus dem Zangengriff des anderen Schlägers, der mich von hinten gepackt hatte, auch wenn er mich dann ohne Federlesens in den Cadillac verfrachtete, der hinter ihm aufgetaucht war - es stimmte also, was Onkel Richard in Bezug auf

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