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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Drohungen, die sie mir, als ich ein kleines Kind war, von ihrem Sockel herab entgegengeschleudert hatte, und trotz Nonnildes Bemühungen, mich zu retten, war mein Leben nichts als eine Aneinanderreihung von Sünden gewesen. Als Kleinkind hatte ich mich in die ozeanischen Brüste meiner Cousine Tea versenkt, ich hatte Renata mit Imma betrogen, Incoronata mit Gwinevere, hatte Dutzenden von unbedarften Turist -Mädchen etwas vorgespielt und Alba Chiara am Altar stehen lassen. Am Ende hatte ich sogar unter der Gefahr, mich zu ruinieren - wie es dann tatsächlich auch geschehen war -, Cybill betrogen, die Frau, die ich mehr geliebt hatte als alle anderen, und jetzt also war die heilige Barbara gekommen, um mir die gerechte Strafe aufzuerlegen. Seltsam nur, dass sie mich dieses Mal nicht aus ihrem Gehäuse heraus anstarrte, sondern aus einer weißen Limousine, die so riesig war wie ein Wal. Ein Lichtkegel beschien ihr hölzernes Gesicht, und ihr Finger, der auf mich zeigte, leuchtete. Aus der Tür stieg, groß und schwarz, ein Würgeengel. Als er mich gen Himmel hob, dachte ich: »Ja, dieses Mal bist du wirklich tot, Carlino.«

34
    Doch am Morgen danach - ich weiß nicht, wie viele Tage inzwischen vergangen waren - erwachte ich auf einem harten, bläulichen, surrenden Bett, nackt, abgesehen von dem Tuch, das meine Hüften und einen Teil meiner Beine bedeckte, aber in den Knochen die wohlige Wärme des halben Dutzends Fernsehapparate, auf die ich gebettet war. Vor mir hatte ich eine große Leinwand. Dahinter stand Gemma Cargallo und porträtierte mich.
    Auch sie hatte mich nicht sofort wiedererkannt: Während ich sie mit der heiligen Barbara verwechselt hatte, hatte Gemma in mir einen Christus gesehen, einen sterbenden Christus vielmehr. Als ich sie das sagen hörte, dachte ich, dass sie als Schwester meines Opfers auf mein bevorstehendes Ende anspiele, aber in ihren Worten schwang keinerlei Drohung mit. Keinen Augenblick hatte sie geglaubt, dass ich etwas mit Franks Tod zu tun haben könnte, außerdem war während meiner »Abwesenheit« der tatsächliche Mörder gefunden worden - einer der Bosse, mit denen er rivalisiert hatte. Nein, sie meinte den Sterbenden Christus von Mantegna. Seit Jahren hatte sie daran gedacht, ihn neu zu schaffen, und ich war ihr als das würdige Modell erschienen; deshalb hatte sie mich in ihren Wagen geladen und mir das Leben gerettet. Leider durfte ich mir aus diesem Grund weder die Haare schneiden noch den Bart abrasieren - und Gott weiß, wie sehr ich mich danach sehnte. Ich durfte es übrigens auch später nicht. Gemma Cargallo schien ihrerseits Christus zu sein und mich ganz und gar zu wollen, denn sie hatte sich seit unserer ersten Begegnung noch stärker in ihren religiösen Wahn hineingesteigert.

    Inzwischen wohnte sie in einem Haus an der 52ten Straße. Es drang kaum Licht durch die schweren Draperien vor den Fenstern, und das Innere erinnerte mehr als alles andere an eine Kirche, so vollgestopft war es mit Kreuzen, Monstranzen, Tabernakeln, Statuen und Reliquien. Die Werke ihres Zyklus Prayers and Maledictions hatten Furore gemacht, und sie hatte sich unter dem Namen »Praetiosa Gemma« mit Aplomb auf dem Kunstmarkt durchgesetzt. Außerdem war sie immer tiefer in ihr Delirium gesunken: Auch jetzt, da ich mich mühsam nüchtern hielt - ein Schlückchen hätte genügt, um mich wieder in den Abgrund des Alkoholismus zu stürzen -, kam mir Gemma nicht viel anders vor als die Statue der heiligen Barbara.
    Mit ihren pechschwarzen Haaren, die sie über die Ohren nach hinten gekämmt hatte und die von mehreren, wie Heiligenscheine glänzenden Haarreifen festgehalten wurden, und den steinübersäten Kruzifixen um den langen Hals, der aus den von ihr bevorzugten altgriechischen Gewändern herausragte, war sie von einer gespenstischen Magerkeit und Blässe. Während sie malte, hielt sie kleine Predigten oder theologische Sermone, wie beispielsweise: »In den kontemplativen Seelen können außergewöhnliche mystische Phänomene auftreten, die oft mit der ekstatischen Vereinigung einhergehen. Zu diesen gehören die göttlichen Offenbarungen, mittels deren Gott eine verborgene Wahrheit manifest macht. Die Offenbarungen werden von übernatürlichen Wahrnehmungen begleitet, die auch Visionen genannt werden, oder von Manifestationen des göttlichen Denkens, die von den äußeren oder den inneren Sinnen oder direkt vom Intellekt erfasst und Lokutionen genannt werden. Im Rahmen solcher Lokutionen hat

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