Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
Vom Netzwerk:
kaum bin ich in ihrer
Reichweite, drückt sie mir schon einen Schmatz auf. Ihre Mutter, Donna Augusta Filangeri, eine Art asthmatischer Riesenkarpfen und Gemahlin des Ingenieurs Filippo Filangeri, der kompakter und breiter ist als seine Frau, ist bei Nonnilde in die Lehre gegangen. Wenn sie ihr einen Besuch abstattet, was ziemlich häufig vorkommt, bringt sie immer ihre Tochter mit. Die verbringt dann die Stunden mit mir, und sie muss mich liebgewonnen haben, denn sie lädt mich oft zu sich nach Hause ein. Letztes Jahr war sie noch ein Kind, jetzt aber spüre ich bei ihrem tollpatschigen Versuch, mich in die Arme zu schließen, dass ihr zwei schöne Titten gewachsen sind. Sie stößt eine Reihe spitzer Schreie aus und sagt mir, wie hübsch und wie groß ich geworden sei, doch aus dem Gefährt taucht unter Mühen das breite Gesicht der Mutter auf: »Ciao, Carlino … harf «, röchelt sie, und zu Silvia: »Los, Silvia … harf … Wir müssen weiter, zum Spielen habt ihr noch genug Zeit … harf , harf .«
    Silvia lächelte, streichelte meine Wange, doch da starrte sie schon Pit an, wie benommen, als hätte sie eine Kopfnuss erhalten. Auch Pit starrte Silvia an. Und so wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben Zeuge eines wirklichen coup de foudre . Die Mutter musste sie zwei-, dreimal rufen - harf , harf … harf -, um sie aus dieser Art von Verblödung zu erwecken, doch als Silvia endlich zum Auto zurückging, sich ermattet gegen die Tür lehnte und zu mir sagte: »Wir sehen uns dann später, piccolino «, war es immer noch Pit, den sie fixierte.
    Ich sagte, ja, wir sehen uns, auch wenn es aufgrund meiner derzeitigen Situation als Verbannter schwierig sein würde, und sobald der Wagen anfuhr, drehte ich mich stolz zu Pit um - es ist immer angenehm, Bekannte von solcher Anmut vorweisen zu können. Er stieß einen lautlosen Pfiff aus. »Entzückend«, sagte er und starrte immer noch dem Auto nach, und als es hinter dem Rathaus verschwand, packte er mich am Arm und gab mir lächelnd einen kleinen Klaps in den Nacken. »Also, piccolino , wohlerzogene Leute benehmen sich anders! Seinen Freunden muss man seine
Freundinnen vorstellen, vor allem dann, wenn es sich um solche Freundinnen handelt … Wie auch immer - zu wem gehört sie?«
    Ich erkläre ihm, »zu wem sie gehört« beziehungsweise wessen Tochter sie ist. Damit er mir verzeiht, beginne ich sogar ihren Stammbaum herunterzurattern - die einzige Leidenschaft, die ich von meiner Großmutter geerbt habe. Er blickt so versonnen drein, als würde er gar nicht zuhören, und irgendwann schneidet er mir einfach das Wort ab: »Schon gut, schon gut.« Er zieht Luft durch die Nase ein, reibt sich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe und versucht, seinen üblichen Gleichmut zurückzugewinnen, doch es gelingt ihm nicht. Er sagt: »Gut, jetzt hilfst du mir aber, lieber Tscharlz, der Freund deiner lieben Freundin Silvia zu werden. Einverstanden?«
    »Natürlich helfe ich dir.« Ich dem großen Pit helfen! Das muss man mir nicht zweimal sagen. Unterdessen heult die Sirene los. Pit zündet die in der Zwischenzeit erloschene Blätterzigarette wieder an, und wir gehen zu seinem Auto, das mir nach dem Jaguar sehr viel weniger rot, flach und bolidenartig vorkommt.
    Zu Hause benahm sich der Normanne, als wäre er auf einem anderen Stern. Angewidert schob er den Teller von sich - tatsächlich verströmte der einen beträchtlichen Hautgout. Vitina musterte ihn besorgt. »Aber was hast du’n, mein Sohn? Was iss mit dir? Die Kutteln haben dir doch sonst immer geschmeckt! Als Mamma darf ich dir das doch sagen, denn eine Mamma versteht ihren Sohn ganz genau.« Der Sohn schwieg. »Aber die Mamma versteht dich, was glaubst’n du. Die Mädels sind es, die verderben dich. Denk dir nix dabei, die kommen und gehn … iss nur, sonst fällst du noch vom Fleisch. Ich hab auch Hähnchen in die Sauce rein.«
    Jetzt zog er ein Gesicht, als müsste er sich übergeben, sagte nur: »Mir ist der Hunger vergangen«, und stand abrupt auf. Er setzte sich draußen unter unsere Eiche, eine Ähre zwischen den Lippen, und blickte auf das Dorf. Ich verschlang die Kutteln mit Hähnchenfleisch, die trotz ihres Geruchs eine wahre Köstlichkeit waren - vielleicht lag es auch nur an der Landluft, die, wie meine Tanten
zu sagen pflegten, den Appetit anregt -, und ging erst dann hinaus, um mich in seiner Nähe auszustrecken. Tatsächlich schlief ich - wohl wegen des schweren Essens - auf der Stelle ein, und als ich

Weitere Kostenlose Bücher