Ferne Verwandte
zum Aperitif ein - wofür sich die Angestellte aus Savoyen prompt mit einer Einladung zum Mittagessen revanchiert.
Wir werden in ihrem Haus an der Piazza empfangen. »Nichts Besonderes, man muss sich arrangieren, né «, verkündet Bere, aber
die Pappardelle mit Trüffelaroma, die sie in Rekordzeit zubereitet, sind wirklich gut. Dann gibt es Scaloppine al marsala, die in nichts an die kleinen fettigen Lappen von Tante Ines erinnern. Daran schließt sich der kleine Espresso an. Danach folgt die Siesta. Die Savoyardin begleitet mich in ihr Zimmer, befreit das Bett von der Porzellanpuppe und den Kissen mit Blümchenbezug und sagt zu mir: »Hier kannst du dich ausruhen, né .«
Fünf Minuten sind vergangen, und ich höre sie - einsame Wölfin, die sie nun einmal ist - heulen und wundere mich nicht. Wer könnte Pit stoppen? Ohne die geringste Anstrengung hat er bekommen, wonach sich der männliche Teil der Dorfbevölkerung seit Monaten verzehrt. Nachdem sie sich wieder beruhigt haben, liegt auf Berenices Gesicht ein Ausdruck, den niemand je zuvor an ihr gesehen hat. Von heute an ist es eine andere Gnade, um die sie den Herrn bitten wird, auch dieses Mal vergebens. Pit denkt an alles andere als an den Traualtar, und er macht ihr gegenüber keinen Hehl daraus. Außerdem ist die Liebe ein Wunder. Das sollte mir nur wenige Tage später klar werden.
Es passiert am Vormittag. Wir sind gerade aus der Bar gekommen. Pit hat seinen täglichen Gewinn eingestrichen, und wir genießen den Schatten auf dem glatten Stein einer Stufe. Er zündet sich eine seiner Blätterzigaretten an. Es sind die Jahre, in denen man sie noch in aller Ruhe auf der Piazza rauchen kann, obwohl sie derart nach verbrannten Stoppeln stinken, wie keine Zigarette es tun dürfte, und das Ganze nur zwei Schritte von den örtlichen Carabinieri entfernt - was aber sollen die Leute aus einem Kaff im Süden und die dort stationierten Soldaten, die zwar aus dem Norden stammen, allerdings aus nicht weniger primitiven Gegenden, schon kapieren? Jedenfalls schaut der Normanne zwischen zwei Zügen den Arbeitern zu, die für das Fest des Schutzheiligen Lämpchen montieren, und sagt voller Genugtuung: »Schön, oder?«
»Was?«, frage ich.
»Nichts zu tun, während die Welt um einen herum arbeitet.« Pit lacht immer noch vor sich hin, als wir am Ende der Straße gegen
das blendende Licht dieses phantastische Auto auftauchen sehen. Er schirmt sich die Augen ab, spuckt einen Krümel aus, der ihm zwischen den Lippen hängen geblieben ist, und erklärt: »Ein Jaguar … Das ist vielleicht ein Auto!«
Ich kenne mich nicht besonders gut aus, aber angesichts einer solchen Pracht ist das auch nicht nötig. Mit der widerstrebenden Langsamkeit, mit der sich Autos der Extraklasse auf Straßen, die ihres Wappenschilds unwürdig sind, voranquälen, kam es vor uns zum Stehen. Einen Augenblick lag Spannung in der Luft. Dann öffnete sich eine Tür, und das Mädchen, das ausstieg, war genauso, wie man sich die Tochter der mondänen Besitzer eines englischgrünen Jaguars vorstellt, eines Jaguars, den es aufgrund einer seltsamen Laune des Schicksals - infolge eines Orientierungsproblems oder, was angesichts der sprichwörtlichen Unzuverlässigkeit der mythischen Marke wahrscheinlicher ist, infolge eines Motorschadens - statt an einen renommierten Zielort wie Amalfi, Sorrent oder Positano in ein ganz gewöhnliches Nest des Südens verschlagen hat. Sie trägt die Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, und unter dem Pony schauen funkelnde Augen und ein Stupsnäschen hervor - wie eine Internatsschülerin sieht sie aus, die Schülerin eines wirklich exklusiven Internats. Und so ist sie auch gekleidet: Kostümchen mit Wappen an der Jacke. Ihr perfektes Auftreten würde niemanden auf die Idee bringen, dass nicht irgendein verrückter Zufall sie zwischen diese trostlosen Berge geführt habe, sondern dass sie vielmehr jedes Jahr hierherkommt - wenn auch bislang niemals in einem Jaguar. Nur wenn man die Eltern kennt, die, was für die Wirkung der Szene von großem Vorteil ist, dank der bläulich abgetönten Windschutzscheibe vorläufig unsichtbar bleiben, könnte man es vermuten. Tatsächlich ist Silvia die Tochter von Einheimischen, die zwar in Neapel residieren, aber jedes Jahr pünktlich in die Heimat zurückkehren. Sie ist wohl sechzehn, siebzehn Jahre alt, und jedes Mal, wenn sie mich sieht, bedeckt sie mich mit Riesenküssen. Auch jetzt ruft sie meinen Namen und läuft mir entgegen, und
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