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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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oder die Ausweitung bestehender Aktivitäten. So erhielt ich auf diesem Weg auch die Bestätigung für den Wiederaufschwung der Firma Olii Superfini :
    Die Olivenernte geht uns alle an, denn sie sorgt dafür, dass das gelbe Gold für unsere Bevölkerung fließt. Deshalb geben wir mit großer Freude bekannt, dass unsere Premiata F.lli Di Lontrone Olii Superfini die heurige Olivenernte nicht nur im Dorf, sondern auch in der Umgebung erfolgreich durchgeführt hat.
    Und es fehlte auch nicht an der einfachen Nachlese in der Art eines Almanachs:
    Auch dieses Jahr hat sich der Schnee pünktlich ein Stelldichein gegeben. Anfang Januar haben sich unsere Berge samt der Talebene in einen weißen Schleier gehüllt. Das Holz für den Kamin beziehungsweise den Küchenherd ist teurer geworden. Die Nächte sind sehr kalt, die Tage etwas weniger. Aber die schönen Tage werden wiederkommen, natürlich erst im Frühjahr!
    Von detaillierten Berichten über Theateraufführungen, Kundgebungen und verschiedene kulturelle Ereignisse ganz zu schweigen:
    Die Schüler der Grundschule haben die letzten Tage des Schuljahrs mit der Gestaltung der allegorischen Wagen verbracht, welche die Kontinente und die europäischen Nationen repräsentieren. Dem Defilee dieser Wagen durch die Straßen des historischen Zentrums war ein großer Erfolg beschieden. Besonderen Eindruck hinterließen ein kolossales trojanisches Pferd und ein gigantischer Globus. Die zahlreich versammelte Menge spendete wiederholt Applaus.
    Schließlich gab es eine Leserpostecke, die meistens mit Briefen von Ausgewanderten gefüllt war, welche sich mit rührenden Worten ihrer alten Heimat erinnerten:
    Liebe Contrada soprana!
    Wenn jemand die Heimat verlässt, bleiben ihm nur die Erinnerungen an glückliche und traurige Momente. Ich habe viele Erinnerungen an meine Kindheit. Fast alle sind glücklich, die einzig traurige betrifft jenen Tag, an dem ich nach Australien aufgebrochen bin, ohne zu wissen, wann ich zurückkehren würde. Wie es heute aussieht, wohl niemals mehr. Ich denke zurück an die Spiele, die ich mit meinen lieben Freunden gespielt habe: Verstecken, Libero, Räuber und Gendarm, und oft vergnügte man
sich auch mit Knöpfen und Sieben. Wie viele fröhliche Stunden habe ich mit diesen Spielen verbracht!
    Oder:
    Sehr geehrte Contrada soprana!
    Obwohl ich so viele Jahre in Venezuela verbracht und so viele Freunde aus anderen italienischen Dörfern kennengelernt habe, kann sich niemand so glücklich preisen wie wir, die wir als Einzige in einem riesigen Gebiet ein Blatt wie das Ihrige lesen dürfen, das die Verbindung untereinander und mit unserem Heimatdorf aufrechterhält. Für uns ist es, als würden wir den Brief eines Freundes oder eines Verwandten erhalten, einen langen zumal. Ich lese als Erstes ganz besonders, wer gestorben ist, um eine Fürbitte an den Herrgott zu richten. Dann kommen die schönen und zahlreichen Fotografien an die Reihe, auf denen ich immer einen Verwandten oder Bekannten entdecke. Daraufhin lese ich die im Dialekt wiedergegebenen Sprichwörter und Redensarten. Aber letztlich lese ich alles, wirklich alles, weil in Ihrem Mitteilungsblatt wirklich alles interessant ist. Ich bitte Sie von ganzem Herzen, mit Ihrer Arbeit fortzufahren. In diesem Sinne lege ich 57 Dollar bei und grüße Sie mit Zuneigung und Hochachtung.
    In keiner Ausgabe fehlte ferner ein Artikel moralisierenden Inhalts aus der gestrengen Feder Don Silvestros mit Überschriften wie: »Unzucht und Begierde - die Hauptlaster unserer Zeit«, »Frau, sei dir deines Wertes bewusst: Verschleudere dich nicht!!!«, »Verfluchter Aberglaube!«, »Verdorbene Jugend - aber liegt uns das Schicksal unserer jungen Leute wirklich am Herzen?«, »Unsere Nächsten sind keine Wegwerfartikel!«, »Selbstmord ist eine Todsünde!«.
    Die stärkste Seite der Contrada soprana war jedoch die Rubrik »Im Blitzlicht des Lebens«: spaltenweise Fotos von Babys etwa, die, wiewohl in den Arm ihrer Mutter geschmiegt, verängstigt dreinblickten. Außer den Eltern standen da noch der Pate und die Patin, und geknipst wurde bitte schön immer vor der Taufe, weil es nach
der kalten Ablution - hier war sie also, die bereits von den Kleinsten geahnte Bedrohung, zu der uns »der erste Ungehorsam von Mensch und Frucht« verurteilt hat (Milton oder Serafino?) - wirklich schwierig ist, dafür zu sorgen, dass die unweigerlich schreienden Kleinen stillhalten. Fotos von Kindern hinter der Geburtstagstorte und vor dem

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