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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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du dich nur noch an die Arbeit zu machen. In zehn Tagen weihen wir das Lokal ein.«
    Ach ja, die Arbeit. Nicht, dass ich sie vergessen hätte, nur hatte ich mich gerne trügerischen Hoffnungen hingegeben. Ich nahm das Paket und trug es nach Hause. Drinnen war eine Farfisa-Orgel mit einem Haufen automatischer Begleitrhythmen. Sicher, die aus dem 18. Jahrhundert stammende Orgel des Klosters war schon etwas anderes, aber auch mit diesem Spielzeug kam ich so gut klar, dass es eine Freude war. Ich verbrachte ganze Nachmittage mit der Vorbereitung auf das Debüt und spielte gerade etwas auf der Farfisa, als Apache bei mir aufkreuzte. Das war merkwürdig, denn normalerweise kam mich aus Angst vor der Großmutter nie jemand besuchen. Aber auch Apache selbst war merkwürdig. Schon seit einiger Zeit war mir aufgefallen, wie niedergeschlagen und schweigsam er war. Ich hatte geglaubt, dass es mit unserer jüngsten Pleite zusammenhing, aber jetzt teilte er mir mit weinerlicher Stimme mit: »Ich habe lange nachgegrübelt und bin zu einer wichtigen Entscheidung gelangt: Ich haue ab.«

    Wie wir aus der einschlägigen Presse - »Ciao, 2001«, bald schon verdrängt von »Re Nudo« - und aus dem Fernsehen wussten, war von zu Hause auszureißen der unwiderlegbare Beweis dafür, dass man dem fortschrittlichsten Teil der Jugend angehörte, ähnlich wie man sich in früheren Generationen freiwillig an die Front gemeldet hatte. Hunderte von jungen Leute verließen ihre Familie auf der Suche nach einem authentischeren, abenteuerlicheren Leben und pilgerten nach dem Vorbild von On the Road per Anhalter durch die Welt. Auch ich hatte das Buch gelesen, oder besser: Ich hatte mich daran versucht. Allerdings war ich vor lauter Langeweile nicht über die ersten vierzig Seiten hinausgelangt und tröstete mich mit Capotes lapidarem Urteil: »So etwas nennt man nicht Schreiben, sondern Tippen.« Jedenfalls leuchtete es mir, abgesehen von Fragen des literarischen Geschmacks, einfach nicht ein, warum ich um eine Mitfahrgelegenheit betteln, mich durch Almosen über Wasser halten und in einem Schlafsack unter freiem Himmel übernachten sollte - noch dazu bei der Hundekälte in jenem Winter -, wenn es mir doch schon Mühe bereitete, in meinem eigenen Haus in Würde zu leben. Deshalb lehnte ich Apaches Angebot, mit ihm zu türmen, ab.
    Er sah mich mit überlegener Miene an - immerhin gehörte er zu einer Elite -, aber nachdem er auf meine Frage, was denn sein Ziel sei, nachdenklich geantwortet hatte: »Indien, Mexiko, Tibet … in solchen Fällen weiß man nie, wo man landet«, verweigerte er mir zum Abschied trotzdem nicht eine gerührte Umarmung.
    Zehn Tage später wurde er bei seinem Vetter in Latina aufgegriffen. Sein Vater brachte ihn ins Dorf zurück, und zwar ausgerechnet an dem Tag, an dem ich die Farfisa wieder einpackte und im Patriarca vorstellig wurde. Diesen Namen hatte Saro Merenda seinem Festsaal geben wollen - fett und verlebt, wie er war, mit einem Haufen Kinder und einer Ehefrau, die ihn bereitwillig bediente, kam er sich eben wie ein Patriarch vor. Imma hatte ihn mit dem Lastenaufzug in das obere Stockwerk gehievt, und jetzt nahmen sie mir gegenüber Platz - das heißt, Merenda saß bereits - in diesem
großen leeren Raum, der vor drittklassigem Marmor nur so strotzte, mit wassergrünen Vorhängen vor den Fenstern, die viel von der ohnehin schwachen Wintersonne schluckten. Nach ein paar Minuten fing der Gelähmte zu schnarchen an. Bis dahin hatte ich schon ein bisschen herumgeklimpert, aber was half das alles, wenn Imma doch ihre Schenkel entblößt hatte wie die Dame auf der Veranstaltung mit Fanfani. Die schönsten Momente waren jedenfalls die, als sie hinter mich trat, um einen Blick auf die Liste mit den Schlagern zu werfen, die ich einstudiert hatte.
    Zuerst beugte sie sich herunter, um den Entwurf zu lesen, und legte mir, während sie las, ihre spitzen Brüste auf die Schulter. Dann wollte sie, dass ich von jedem Stück eine kleine Kostprobe gab, und im Eifer des Gefechts stieß ich ihr den Ellenbogen zufällig genau zwischen die Schenkel. Ich dachte, dass sie nun zur Seite treten würde. Sie blieb aber, wo sie stand, ja, sie schmiegte sich noch enger an mich. Deutlich spürte ich das Haargekräusel an ihrer Möse, sagte mir allerdings, dass sie unmöglich nichts bemerkt haben könne. Sie hätte alle Männer haben können, die sie wollte, warum also sollte sie sich dann so erniedrigen und etwas machen, was nicht einmal ich mehr im

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