Fernsehkoeche kuesst man nicht
wandte sich an Silke.
»Ja.« Meine Schwägerin fand sehr schnell in ihre alte Selbstsicherheit zurück und hielt Raphael die ausgestreckte Hand hin.
»Genauer gesagt bin ich Oralchirurgin! Meine Kollegin, Frau Dr. Hering hat mich auf Ihr kleines Problem aufmerksam gemacht.«
»Henning!«, unterbrach ich sie. Aber Silke ließ sich nicht ablenken und plapperte weiter:
»Und da ich sowieso gerade eine Patientin hier im Haus aufsuchen musste, hat sie mich gebeten, mir mal Ihren Zahn anzusehen. Es gab da ein Malheur während der Narkose?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Na dann, machen Sie bitte mal Aaaah !«, verlangte Silke, und ich hätte sterben mögen. Sie verhielt sich genau so wie der Zahnarzt, der ihre Zwillinge behandelte. Konnte sie nicht einfach sagen »Öffnen Sie bitte Ihren Mund«? Oder »Lassen Sie mich mal einen Blick reinwerfen«? Nein, sie stand vor ihm und demonstrierte ihm, wie man Aaaah machte!
»Haben Sie nicht so ein Teil dabei?«, fragte Raphael. »Einen Spatel?«
Silke klopfte ihr Cocktailkleid nach Werkzeug ab. »Den muss ich wohl im Arztzimmer liegen gelassen haben.«
»Sie haben eine ungewöhnliche Dienstkleidung.« Raphael musterte sie von den schwarzen Nylons bis zur Perlenkette.
»Tja«, sagte sie. »Immer im Dienst. Auch wenn man eigentlich frei hat. Das ist das Los der Karrierefrauen. Aber ich sehe schon, der Zahn ist zwar abgebrochen, bietet aber noch genug Material, um ihm die Krone aufzusetzen. Also eine Zahnkrone natürlich. Haha.« Sie lachte affektiert. »Ich würde Ihnen empfehlen, schnellstmöglich in meine Praxis zu kommen. Das heißt, sobald Sie hier entlassen werden.«
»Ich habe bereits einen Termin bei meinem Zahnarzt gemacht«, winkte Raphael ab.
»Dann ist ja alles in bester Ordnung, nicht wahr? Gute Besserung, Herr Richter! Und kochen Sie schön!« Sie drehte sich auf dem Absatz um und stöckelte hoch erhobenen Hauptes an mir vorbei nach draußen.
»Frau Dr. Henning?«
Ich zuckte zusammen. Raphael hatte seine ganze Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, und das war alles andere als beruhigend. Deshalb bot ich ihm sofort an, der Schwester Bescheid zu geben, dass er mehr Schmerzmittel benötigte.
»Da gibt es noch etwas«, begann Raphael und setzte sich auf die Bettkante. Er trug Shorts und ein einfaches T-Shirt, und ich bemühte mich wirklich, nicht auf seine Beine zu achten. Auch wenn ich durchaus interessiert war, das Muster ihrer Behaarung genauer zu studieren. Da ich aber nicht so auffällig seinen Körper anstarren wollte, musste ich ihm ins Gesicht sehen. Etwas, das ich bisher tunlichst vermieden hatte. Ich schaute also nach oben und bereute es sogleich. Seine Augen waren einfach zu faszinierend. Der liebe Gott hatte für ihn extra den Aquarellkasten ausgepackt und geradezu mit Hingabe die Iris gemalt. Nur, um sie anschließend mit köstlichem Quellwasser auslaufen zu lassen.
Ich räusperte mich. »Mmh?«
»Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?«
»J-Josephine«, stotterte ich.
»Josephine.« Er lächelte, und ich muss zugeben, dass mich das noch mehr verunsicherte, als wenn er mit mir geschimpft hätte. Außerdem standen seine dunkelblonden Haare hinreißend wirr vom Kopf ab, was mir zusätzlich noch das Atmen erschwerte.
»Ein schöner Name.«
Diese Aussage allein hätte mich schon misstrauisch machen sollen, denn mal ehrlich, was bitte war an Josephine schön?
»Finden Sie?«
»Er passt zu Ihnen.« Er stand auf und bewegte sich geschmeidig auf mich zu. Ich konnte nicht verhindern, dass ich ihn nur mit offenem Mund anstarrte.
»Sie sollten mich einmal in meinem Restaurant besuchen kommen«, empfahl er und kam mir dabei immer näher.
»Wirklich?«
Nur noch wenige Zentimeter trennten seinen Körper von meinem. Die Bettwärme, die er ausstrahlte, entlockte mir ein leises Seufzen.
»Unbedingt.« Er nickte.
Ich merkte gar nicht, dass ich weiter zur Tür zurückgewichen war, bis ich den kühlen Luftzug im Rücken spürte.
»Ich würde mich nämlich für das alles hier«, er machte eine ausladende Geste, »gerne einmal revanchieren.«
Und damit knallte er mir die Tür vor der Nase zu.
Rache ist Chili
Aus »Das Rezept seines Erfolgs: Raphael Richter – eine Biografie« von Barbara Olivier
Wenn es eins gab, über das Raphael im Übermaß verfügte, dann war es Optimismus. Er ließ sich nie von den Streichen seiner Kollegen entmutigen, die einfach ihre Löffel in seine Nachspeisen tauchten oder ungefragt sein Essen nachwürzten. Er
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