Fernsehkoeche kuesst man nicht
dass es reicht, wenn ihr Männer euch blamiert.«
»Mama wünscht sich aber, dass wir alle zusammen dieses Gedicht vortragen.«
»Das ist so demütigend. Ich hasse es, vor Fremden etwas aufzusagen.«
»Stimmt, Onkel Waldemar und Tante Gisela sind auch wahnsinnig fremd für dich.« Er verdrehte die Augen.
»Ich habe die schon ewig nicht gesehen. Außerdem: Weißt du nicht mehr, was passiert ist, als ich das letzte Mal auf einer Feier den Mund geöffnet habe?«
»Ich erinnere mich dunkel. Dann musst du eben auf das Glas Cola verzichten. Und auch auf alle anderen Getränke, die in irgendeiner Form Kohlensäure enthalten«, fügte er düster hinzu.
»Das Gedicht ist einfach grässlich! Können wir nicht eins von Wilhelm Busch nehmen?«
»Frédéric hat es geschrieben.«
»Das ist ja das Tragische. Er sollte lieber bei seinen Bankgeschäften bleiben.«
»Lass es uns noch einmal üben!«
»Nein danke«, ich winkte ab. »Ich habe in meinem letzten Dienst mit Gaby geübt. Sie hat mich abgefragt.«
»Na gut, wenn du dir sicher bist.«
»Sag mir lieber mal, woher du diesen wahnsinnig schicken Smoking hast? Du siehst einfach umwerfend aus!«
»Tja«, sagte er und drehte sich stolz um die eigene Achse. »Ich habe dir doch gesagt, dass meine App fertig ist.«
»Ich weiß. Ich hab sie auch schon runtergeladen, kam aber noch nicht dazu, sie auszuprobieren. Ist sie gut?«
Claude schnaufte und wischte sich ein paar imaginäre Staubkörnchen vom Ärmel. »Würde ich sonst so ein feines Teil tragen? Los jetzt, Lisa wartet im Auto. Gleich motzt sie, dass ihr Kleid vom langen Sitzen knittert.« Er schob mich durch die Tür. Schnell schnappte ich mir meine Handtasche, in der ich Gesichtspuder, mein Handy und Frédérics Gedicht des Grauens aufbewahrte.
»Claude«, sagte ich, als wir die Straße betraten und ich den schwarzen Luxusschlitten im Halteverbot stehen sah. » Wie gut ist deine App wirklich?«
Er grinste und ließ die Funkfernbedienung aufpiepsen. »Sehr gut. Habe ich das noch nicht erwähnt?«
»Claude!«
»Okay, ich gebe es zu, sie ist einfach genial!« Er lachte und riss mich in seine Arme, um mit mir über den Bürgersteig zu wirbeln. »Mehr als zwanzigtausend Downloads am ersten Wochenende!« Er ließ mich los und tänzelte um das Auto herum. Dabei sang er: »Boom, tschakka lakka.«
Lachend ließ ich mich auf die breite und wirklich äußerst bequeme Rückbank fallen. »Hi Lisa«, begrüßte ich Claudes Freundin, die ihre blonden Haare kunstvoll hochgetürmt hatte und ein wahnsinnig schönes Kleid im Nude-Look trug. »Wieso musstest du keine weiße Bluse anziehen?«, fragte ich fast ein wenig enttäuscht.
»Davon hat mir deine Mutter nichts gesagt.«
Na gut, dachte ich. Anscheinend galt das nur für die engsten Familienmitglieder. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Lisa vermutlich ebenso wie Claude völlig overdressed sein würde, und kuschelte mich in den Sitz.
»Wow, ist das etwa echtes Leder?«
»Nappa. Vom Kalb.«
»Ich hoffe, der ist nur geliehen.«
»Würde es dich beruhigen, wenn ich dir sage, dass er gebraucht ist?«, fragte Claude, während er den Wagen auf die Fahrbahn lenkte und in gemächlichem Tempo losfuhr.
»Vergiss es«, sagte ich.
Meine Laune hob sich bei der Fahrt deutlich an. Der Motor schnurrte leise und das weiche Leder unter meinem Hintern klebte nicht einmal. Leider verschlechterte sich meine Laune wieder, als wir auf den Parkplatz des Restaurants fuhren, denn überall stiegen Leute in Abendgarderobe aus ihren Fahrzeugen. Hatte ich da etwas, den Dresscode betreffend, missverstanden? Nein, dabei musste es sich wohl um die andere Gesellschaft handeln, die vor uns gebucht hatte. Mir kam nämlich keiner der Gäste bekannt vor. Bis auf –
»Nein!«, kreischte ich auf und warf mich in den Fußraum, der, das musste ich zugeben, äußerst großzügig bemessen war.
»Was ist los?«, fragte Lisa.
»Da ist Raphaels Mutter! Ach du Schande!«
»Wer ist denn Raphael?«
»Das ist ihr Fernsehkoch«, erklärte Claude.
»Er ist nicht mein Fernsehkoch!«, widersprach ich. »Er ist DER Fernsehkoch!«
»Du weißt aber schon, dass die Scheiben getönt sind und sie dich sowieso nicht sehen kann, oder?«
Mühsam kletterte ich wieder auf den Sitz. Wieso war Raphaels Mutter hier? Ging sie zufällig heute am Rhein spazieren und hatte plötzlich Appetit bekommen? Oder eher: Ging sie zufällig in einem güldenen Abendkleid, das eher für die Oper gedacht war als für einen Bummel
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