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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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auf der Rheinpromenade, spazieren und hatte plötzlich Appetit bekommen?
    Uff.
    Jetzt fühlte ich mich doch langsam unwohl. Wenn hier alle so aufgetakelt waren, warum zum Teufel sah ich dann aus wie eine Schulsekretärin?
    Wir schlichen vom Parkplatz zum Restaurant. Das heißt, ich schlich. Lisa und Claude stolzierten wie Brangelina über den roten Teppich. Meine Mutter stand am Eingang und begrüßte ihre Gäste. Sie trug ein türkisfarbenes Paillettenkleid.  
    »Mama!«, schimpfte ich. »Wieso darf Silke einen pinkfarbenen Traum anziehen und ich nicht?«
    »Du siehst sehr hübsch aus, Liebes«, sagte sie und küsste mich auf beide Wangen.
    »Mama!«
    »Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht in Jeans kommst.«
    »Ich hatte so ein wahnsinnig schönes Kleid gekauft!«
    »Das tut mir sehr leid, Schatz. Geh schon mal hinein. Vorne kannst du die Sitzordnung ablesen. Ich habe dich neben Dr. Greifwald gesetzt. Er ist Papas direkter Vorgesetzter, also bitte benimm dich!«
    Das wurde ja immer besser! Ich konnte Dr. Greifwald nicht ausstehen. Wenn es nach seiner Persönlichkeit ging, dann müsste Greifwald eigentlich Greifpranke heißen. Er war einer dieser Altherren, die jede Gelegenheit nutzten, um einen unauffällig zu betatschen. Unsere letzte Begegnung lag ungefähr ein halbes Jahr zurück, und diese Bekanntschaft gerade heute aufzufrischen, stand wirklich nicht auf meinem Plan. Deshalb suchte ich panisch die Schildchen auf der weißen Tafel an der Wand ab. Waren die festgeklebt? Nein, welch ein Glück! Ich riss meinen Namen ab und tauschte ihn mit dem von Cousine Valerie. Sie hatte mir an Weihnachten Punsch über den Schoß gegossen, das hatte sie nun davon.
    Dann machte ich mich auf die Suche nach Silke.
    »Wie siehst du denn aus?«, fragte sie anstatt einer Begrüßung. »So … so … devot, das kenne ich gar nicht von dir.«
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Wo ist mein missratener Bruder?«
    »Frédéric ist gerade mit Severin zur Toilette gegangen.«
    »Hast du dieses Gedicht gelesen, das er geschrieben hat?«
    »Ist es nicht hübsch? Ich bin so stolz auf ihn! Ich hoffe nur, ich heule nicht vor Rührung, wenn er es vorträgt, sonst verschmiert meine ganze Wimperntusche.«
    »Öh«, machte ich.
    »Ihr seid übrigens gleich zu Beginn dran. Ich glaube, Frédéric ist nervös.« Sie lächelte nachsichtig.
    »Bist du eigentlich wieder ganz gesund?«, fragte ich, mich ihrer Magen-Darm-Grippe erinnernd.
    »Das kann man so sagen.«
    Ich wunderte mich noch, dass sie mir nur vage antwortete, hatte aber nicht die Zeit, länger darüber nachzudenken. Denn nun nahm das Unglück seinen Lauf:
    Meine Mutter begrüßte ihre Gäste. Kellnerinnen reichten Sektflöten an die Damen. Mein Vater Hajott nickte nur freundlich und stierte ansonsten still in sein Bierglas. Ich spülte schnell noch meinen Sekt herunter, als meine Mutter sich erwartungsvoll in ihren Sitz gleiten ließ. Dann betraten die drei Geschwister Henning die Bühne. Also nicht wirklich eine Bühne. Mangels einer solchen bauten wir uns einfach in einer Ecke auf, die vor den vielen Tischen entstanden war.  
    Es gab tatsächlich ein Mikro. Leider.
    Frédéric hielt mit hochrotem Kopf eine flammende Rede über meine Mutter, die beste Mutter von allen. Was ich mit Blick auf meinen Sekretärinnenlook gerade nicht bestätigen konnte. Und dann deklamierte er die erste Strophe des Gedichts, das sich locker mit der Überschrift »Ode an Mama« hätte schmücken lassen können.
    » Waren wir klein oder groß, du warst immer für uns da ... «, begann er, und ich sammelte meinen Geist zur Größe einer Fruchtfliege zusammen und schluckte ihn runter. Bloß nicht hinhören, dachte ich, bloß nicht hinhören! Außerdem war ich damit beschäftigt, mich zwischen Frédéric und Claude, die beide todschick aussahen, in Luft aufzulösen.  
    » Deine Hände immer rege, trösteten uns wunderbar ...«
    Meine Güte, war die erste Strophe lang, dachte ich noch und ließ meinen Blick durch den Saal schweifen. Ich entdeckte Cousine Valerie, die ein sehr verbissenes Gesicht machte, und lächelte in mich hinein. In meiner Hand hielt ich den Spickzettel, den ich eben schnell noch aus der Handtasche gefischt hatte.
    Bloß nicht die Nerven verlieren!
    Doch dann verlor ich sie doch.
    Denn gerade als Frédéric seinen Applaus entgegennahm (hatten die alle was am Ohr?), zog sich der schwarze Vorhang zur Seite, der den großen Saal in zwei Räume teilte, und Raphael betrat unser erlesenes

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