Fessel Mich
das W-Wort schon wieder auf der Zunge gelegen hatte. »Ich soll den Schlüsseldienst bezahlen?«
»Du hängst an meiner Handschelle, oder?«
»Ich dachte, wir teilen?«
»Wir teilen doch. Du stehst in meiner Wohnung, bist in meinem Auto mitgefahren und hast mich um meinen Gutenachtfick gebracht – also bezahlst du den lahmarschigen Schlüsseldienst.«
Das war so dreist, dass ich ihn ungefähr zehn Sekunden lang nur sprachlos anblinzeln konnte. Erst nach ein paar weiteren Momenten, als ich mir völlig sicher sein konnte, ruhig zu sprechen, erwiderte ich:
»Hast du es schon mal – irgendwann einmal – mit so was wie Freundlichkeit probiert? Vielleicht hätte der Schlüsseldienst sich dann beeilt und wäre in einer halben Stunde hier statt in einer.« ‚Oder du hättest Jannis ohne Handschellen ins Bett bekommen und ich wäre jetzt gar nicht hier‘. Das dachte ich allerdings nur, weil es mir ja eigentlich nichts ausmachte, hier zu sein. Außerdem… vielleicht dachte auch nur ich in dieser Hinsicht so und Jannis stand drauf, ständig blöd von der Seite angemacht zu werden. Obwohl Rick zweifellos seine Lichtblicke hatte. Sehr spärlich verteilt.
Etwas irritiert schaute er mich an. »Wozu? Der Kerl war ja auch nicht freundlich zu mir.«
»Aber wenn du ihn freundlich gebeten hättest, wäre er es vielleicht gewesen.« Es kam mir ein bisschen merkwürdig vor, ihm einen so einfachen Sachverhalt zu erklären, weil es mir von meinen Eltern regelrecht eingebläut worden war, es zunächst mit Freundlichkeit und Höflichkeit zu probieren, ehe rumgeschnauzt werden durfte. Okay, der Zusatz war von mir, zugegeben.
»Gut.« Rick durchquerte die Wohnküche und den Flur. Ich folgte ihm notgedrungen. »Dann bitte ich dich jetzt mal ganz freundlich, mit aufs Klo zu kommen. Eine verdammte Stunde halte ich das nämlich nicht mehr aus.«
Ach du Schreck! Aufs Klo?!
»Äh…«
Zu spät.
Am anderen Ende des Flurs stieß Rick eine Tür zu seiner Rechten auf und schon standen wir in dem kleinen, in Weiß- und Blautönen gehaltenen Badezimmer. Es wirkte ein bisschen unordentlich, wahrscheinlich weil er sich, bevor er ins ‚Palace‘ gefahren war, noch schnell geduscht und gestylt hatte. Was mich wieder zu der Frage brachte, ob er außer dem Gogo-Tanz noch etwas anderes machte. Und es war wirklich weitaus besser, sich damit zu beschäftigen, als mit Rick, der gerade seine Hose öffnete.
Mist. Musste er eigentlich beide Hände zum Pinkeln benutzen? Ich müsste nur eine leichte Drehung mit der Hand machen, die Finger strecken –
Oh, verdammt.
»Wie anständig von dir«, raunte er plötzlich heiser und viel zu dicht an meinem Ohr, weil er dazu nur leicht den Kopf drehen musste. Ich versuchte, nicht zusammenzuzucken, befürchtete aber, dass er es mir trotzdem angemerkt hatte. Stattdessen wollte ich mich weiter auf den Handtuchhaufen auf dem Boden konzentrieren, aber meine Aufmerksamkeit hatte sich eindeutig anderweitig verlagert. »Dass du den Blick abwendest. Passiert nicht oft.«
Diese Sexstimme brachte mich ganz eindeutig um. Mein Herzschlag hatte sich jetzt schon in einen nicht mehr messbaren Bereich verabschiedet. Und leider war ich mir sehr sicher, dass er das wusste.
»Florian…«
Als er meinen Namen so rau flüsterte, rieselte es angenehm meinen Rücken hinunter. Ich musste den Kopf weiter wegdrehen, weil ich das untrügliche Gefühl hatte, dass seine Lippen gleich mein Ohr berühren würden. Oder sich seine Zähne in mein Ohrläppchen graben würden. Das würde ich nicht aushalten, ohne mich völlig lächerlich zu machen.
Allerdings hielt ich es auch nicht aus, wie sich sein Mund auf meinen Hals drückte, direkt über der hämmernden Halsschlagader.
Zittrig holte ich Luft, bis ich sicher war, halbwegs normal sprechen zu können. »Was tust du da?«
»Mir kommt da gerade eine Idee.«
Er drehte den Kopf weg und im nächsten Moment hörte ich, wie er die Spülung betätigte. Hastig wandte er sich zum Waschbecken um, wusch sich schnell die Hände, ohne sich damit aufzuhalten, sie abzutrocknen oder gar seine Hose zu schließen. Kurz darauf hatte ich seine noch nassen Hände rechts und links an meinem Gesicht und seine Lippen hungrig auf meinen.
Ich war so überrascht von dem Kuss, dass ich zunächst instinktiv reagierte und ihn viel zu weit vordringen ließ, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Und als mein Hirn endlich einsatzbereit war, war es bereits viel zu spät, weil ich da schon den freien Arm um ihn
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