Fessel Mich
sich.
»Endlich.« Ich stand auf und war ein bisschen irritiert, als Rick mir nicht folgte. »Wenn du nicht mitkommst, kann ich die Tür nicht öffnen und du wirst mich nicht los.«
Er schürzte die Lippen. »Und meine Frage?«
»Deine Frage, deine Frage! Glaubst du, die kann ich dir nicht mehr beantworten, wenn die Handschellen ab sind?« Den Teufel würde ich tun. Aber das wusste er ja nicht. Wieso interessierte ihn das überhaupt so?
Der eigentlich so gemächliche Mann vom Notschlüsseldienst klingelte wieder an der Tür. Dafür, dass er sich so viel Zeit hierher gelassen hatte, hatte er es nun erstaunlich eilig.
»Nachher glaubt der Kerl da unten noch, du hättest ihn nur so zum Vergnügen am Telefon angeschrien.« Versuchsweise zog ich an seinem Arm, ob er jetzt eher gewillt war, aufzustehen. »Na los, beweg’ dich, Rick.«
Mit einem übertriebenen Aufseufzen, als wäre er ungefähr in dem zarten Alter von hundertdrei, ließ er sich von mir vom Bett hoch zerren. Im Flur betätigte er erst die Gegensprechanlage, um den Mann vom Schlüsseldienst das richtige Stockwerk anzusagen, und anschließend den Summer.
»Hoffentlich hast du genug Geld dabei, um diesen Halsabschneider zu bezahlen. Und seine McDonald’s-Zwischenstopps.«
Ich schmunzelte leicht, als er diese Bemerkung von mir wieder aufgriff. Es kam mir fast wie ein Friedensangebot vor – aus welchem Grund auch immer. »Ich dachte, wir hatten uns aufs Teilen geeinigt?«
»Nein«, erwiderte Rick gleichmütig. »Hatten wir nicht.« Er schob Rusty, der lauernd direkt vor der Wohnungstür stand, mit einem Fuß zur Seite und befahl ihm abermals, sich hinzusetzen, während er die Wohnungstür öffnete.
Im Treppenhaus waren schwere Schritte und schnaufender Atem zu hören. Kurz darauf erschien ein untersetzter, kleiner Mann mit Halbglatze am oberen Treppenabsatz, wo er erst einmal stehen blieb, um keuchend nach Luft zu ringen. Ein starker Geruch nach Tabak wabberte sogar noch auf die Entfernung zu mir herüber und legte die Vermutung nahe, dass er sich auf dem Weg hierher an mehr als einer Zigarette gütlich getan hatte.
»Schön, dass Sie’s einrichten konnten, Herr Wienert«, begrüßte Rick ihn sarkastisch, woraufhin der Mann den Kopf hob und uns aus wässrig blauen Augen finster anstierte, als könnten wir allein etwas dafür, dass dieses Wohnhaus keinen Fahrstuhl besaß.
»Herr Mainer?«, fragte er mit kratziger Raucherstimme.
Flüchtig fragte ich mich, warum mir nicht gleich, als Rick den Schlüsseldienst angerufen hatte, aufgefallen war, wie er sich genannt hatte, dann wäre die Bombe über seine Identität schon früher geplatzt. Früher und bevor ich mit meinen Lippen auch nur in die Nähe seiner gekommen war, um genau zu sein. Wahrscheinlich hatte ich erstens nicht hingehört und war zweitens zu beschäftigt damit gewesen, seine Küchenschränke nach einem Glas zu durchforsten.
Mist.
Allerdings – ich wusste nicht so genau, ob ich das bedauern sollte. Ich fing höchstens an, mein Zögern in seinem Bett zu bedauern. Aber dafür war es jetzt ohnehin zu spät.
»Der bin ich«, nickte Rick und öffnete die Tür einladend noch ein Stückchen weiter, weil Wienert immer noch wie festgewachsen am Treppenabsatz stand.
»Ich dachte, Sie brauchen einen Schlüsseldienst?«
»Sonst hätten wir Sie wohl nicht angerufen, nicht wahr?« Die Ungeduld war aus Ricks Stimme deutlich herauszuhören, mehr noch, weil sich Wienert fortwährend nicht rührte.
»Aber die Tür ist offen.«
»Wer hat gesagt, dass es sich um ein Türschloss handelt?«
Rick hob seinen rechten Arm an und zerrte meinen automatisch mit. Aus irgendeinem Grund war mir die Situation auf einmal mehr als unangenehm. Ganz besonders, weil Wienert erst große, runde Stielaugen bekam – und dann in schallendes Gelächter ausbrach.
»Idiot«, hörte ich Rick durch zusammengebissene Zähne hindurch knurren. »Ich hoffe«, machte er sich mit erhobener Stimme wieder bemerkbar, »diese winzige Abweichung von der Norm stellt kein allzu großes Problem für Sie dar?«
Kichernd lehnte sich Wienert gegen das Treppengeländer und hielt sich mit der freien Hand, die nicht seinen Arbeitskoffer trug, den wuchtigen Bauch. »Überhaupt nicht«, brachte er japsend hervor. »Du liebe Zeit! Das ist mir auch noch nicht untergekommen!«
»Ja, ulkige Sache, nicht? Kommen Sie jetzt rein, oder was? Es ist mitten in der Nacht«, fauchte Rick den Mann an, so dass ich ihm fast wie von selbst in einer beruhigenden
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