Fesseln der Erinnerung
Menschenmännern, um festzustellen, dass ihre Funktionstüchtigkeit eingeschränkt ist, wenn eine Frau am Steuer sitzt, und ich möchte, dass Sie sich voll und ganz auf den Fall konzentrieren können.“
Er wippte auf den Absätzen. Er war äußerst fasziniert und fühlte, dass er inzwischen ziemlich tief in der Bredouille steckte – denn es gab nur eine Möglichkeit, wie das hier ausgehen würde. Trotz aller Hinweise auf ihre Persönlichkeit und etwas zwischen ihnen, das ihn unaufhaltsam anzog, war Sophia nicht nur eine J-Mediale, sondern auch Ratsfrau Duncans Augen und Ohren. Ein kluger Mann würde Abstand wahren und ihr zu verstehen geben, dass sie verdammt noch mal nicht in derselben Mannschaft waren, auch wenn sie an diesem Fall zusammenarbeiteten.
Es gab nur ein kleines Problem dabei – er, der Mann, dessen Geliebte stets ein Lächeln auf den Lippen hatten, wenn er sie verließ, wollte alles über diese Frau wissen, die Teile in ihm ansprach, die schon so lange im Gefrierfach lagen, dass ihr Erwachen ihm fast körperliche Schmerzen bereitete. Dazu kam noch, dass die erschreckende Intensität seiner Reaktion seiner ihm eigenen besonnenen Art völlig widersprach – er war gewohnt, klar zu denken und alles im Voraus zu planen.
Aber er konnte sich auch Situationen anpassen. Und er hatte noch nie vor etwas oder jemandem die Waffen gestreckt, seit er alt und stark genug war, sich zu schützen … zu verteidigen.
„Wissen Sie was?“, fragte er deshalb, als sich die Fahrstuhltüren öffneten, er musste einfach das Rätsel lösen, das sich hinter Sophia Russo verbarg. „Gestaltwandler würden es als einen Akt der Unterwerfung ansehen, mich fahren zu lassen.“
Sie betrat die Garage so förmlich und unerschütterlich, dass er nicht übel Lust hatte, sie gehörig durcheinanderzubringen. Der längst vergessene Junge in ihm kam erwartungsvoll zum Vorschein. Wie würde sie wohl reagieren? Verstand Sophia Russo überhaupt, was „spielen“ war?
„Sie haben doch sicher schon festgestellt“, gab Sophia als Antwort auf seine Bemerkung zurück, „dass Mediale nicht in solch einfachen Bahnen denken, Detective.“
„Max.“ Er wollte seinen Namen aus ihrem Mund hören, wollte, dass sie ihn als Mann sah.
Sie nickte. „Das ist unser Wagen.“ Sie standen vor einem schwarzen Sedan mit getönten Scheiben.
Er pfiff durch die Zähne. „Hübscher Panzer.“ Unauffällig, um im Verkehr unterzugehen, aber bestimmt kugelsicher und mit einer Karosserie, die einen Zusammenstoß mit einem doppelt so großen Wagen überstehen konnte – das hatte er mit einem Blick festgestellt.
„Ratsfrau Duncan hielt ihn für angemessen, da ich mit Ihnen zusammenarbeite.“ Eine rabenschwarze Locke fiel auf ihre Wange, als sie einen Handschuh abstreifte. „Es ist allgemein bekannt, dass andere J-Mediale an bestimmte Erinnerungen nicht mehr gelangen, sobald einer von uns sich Zugang verschafft hat.“
Er spürte die Anspannung in den Schultern, als ihm die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. „Wie oft hat man schon versucht, Sie zu töten?
„Ich weiß es nicht genau.“ Sie berührte den Scanner mit ihrem Daumen – ihre Hand hatte weder Narben noch sonstige Kennzeichen – , die Tür glitt auf, und sie beugte sich über die Schalttafel. „Soll ich Sie auch eingeben? Sie müssen nur zu mir kommen und den Daumen hierher legen.“
Er tat es und wartete geduldig, bis sie sich davon überzeugt hatte, dass er volle Zugangsrechte erhalten hatte. „Dann raten Sie doch mal“, sagte er, nachdem sie auf die Beifahrerseite gegangen war.
„Was soll ich raten?“
„Schätzen Sie mal, wie oft Sie schon das Ziel eines tödlichen Angriffs waren.“
Sie öffnete ihre Tür. „Angeschossen wurde ich nur dreimal.“
Nur! Viele Polizisten wurden in ihrem ganzen Berufsleben nicht so oft von Kugeln getroffen. Er setzte sich auf den Fahrersitz – nachdem er ihn mehr als dreißig Zentimeter nach hinten geschoben hatte – und zog die manuelle Steuerung heraus. Er spürte deutlich ihre Nähe und die Empfindsamkeit ihrer nackten Hand. „Und aus welchen Gründen?“, fragte er, mühsam gegen einen plötzlich aufkommenden Besitzanspruch ankämpfend, der seinen Beschützerinstinkt aufflammen ließ.
Das war ebenfalls eine Überraschung. Denn obwohl der Wille zu beschützen tief in ihm verankert war, hatte er doch gelernt, damit umzugehen, und war nie besitzergreifend … aber vielleicht meldete sich ein Teil von ihm, der lange geschwiegen hatte, war
Weitere Kostenlose Bücher