Fesseln der Erinnerung
ihn so konzentriert ansahen, dass es wie eine Berührung war. „Sie nicht?“
„Nein, in meinem Kopf sind andere Dinge.“ Sie ließ das Thema fallen und blickte wieder auf ihren Organizer, aber er spürte den Schatten hinter den Worten.
Seine Hände umklammerten das Lenkrad. „Haben Sie Albträume?“
„Mediale träumen nicht.“ Diese nichtssagende Antwort hatte er erwartet, aber sie fügte noch etwas hinzu. „Das sagt sich so leicht.“ Also hatte auch Sophia in furchtbare Abgründe geblickt.
Bevor er etwas erwidern konnte, öffnete sie erneut den Mund, doch diesmal waren ihre Worte pragmatisch und kühl. „Carmichael Jones war Ratsfrau Duncans wichtigster Berater bei Grundstücksgeschäften.“
Diesmal würde er Sophia davonkommen lassen. „Ich habe gehört, ein großer Teil ihres Imperiums beruhe auf Bauprojekten.“
„Stimmt. Sie erstellt sehr erfolgreich Wohnanlagen für Gestaltwandler.“
„Hm.“ Er rekapitulierte, was er über diese Gattung wusste. Die Freundschaft mit Clay und Dorian, einem weiteren Wächter der Gestaltwandler, hatte er sich blutig verdient. Im Allgemeinen hielten die Raubtiere eher Distanz zu Fremden. „Wie hat sie das geschafft?“
„Sie hat ein Abkommen mit dem Rudel Ihrer Freunde. Meiner Meinung nach zahlt es sich für beide Seiten aus.“ Eine kleine Bewegung, mit der sie sich zurechtsetzte, ihr Duft stieg ihm verführerisch in die Nase. „Es gibt Gerüchte, wonach die SnowDancer-Wölfe stille Teilhaber in vielen Projekten seien, aber bislang hat dies keine Seite offiziell bestätigt.“
Max pfiff durch die Zähne. Die Katzen waren schon äußerst reserviert, was Fremde anging, aber die Wölfe waren die reinsten Eisblöcke. „Hatte Carmichael Jones mit den Leoparden zu tun?“
„Nein. Der Kontakt läuft über Nikita – was ungewöhnlich ist.“
Er bog vorsichtig ab und schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht – ich habe da so ein Gefühl, als ob ihre Tochter ursprünglich die Hauptrolle hätte spielen sollen.“ Er hatte Sascha persönlich noch nie getroffen, aber ihren Mann Lucas hatte er ganz kurz bei seinem letzten Aufenthalt in San Francisco zu Gesicht bekommen – als er einem anderen Schlächter auf der Spur gewesen war, der Kinder in Fleischstücke zerlegt hatte.
„Detective … Max. Geht es Ihnen gut?“
Er hatte das Lenkrad so fest umklammert, dass alles Blut aus seinen Händen gewichen war. „Ja, sicher.“
„Sie haben auch Albträume.“ Sanft. „Die gehen vorüber.“
Das traf ihn wie der Aufprall eines Zehntonners – sie versuchte, ihn zu trösten, eine J-Mediale, die sicher mehr Albträume im Schädel hatte, als er je erleben würde, selbst wenn er zehn Leben gehabt hätte. „Nikita“, sagte er, und seine Stimme wurde tiefer, als er gegen die Versuchung ankämpfte, den Wagen anzuhalten, um sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. „Nikita ist wahrscheinlich eingesprungen, nachdem Sascha das Medialnet verlassen hatte.“
Sie vertiefte die Sache mit den Albträumen nicht weiter. „Ja, das würde einen Sinn ergeben.“
„Und Sascha ist eine der ihren.“ Er wusste besser als jeder andere, dass diese Tatsache nicht immer das bedeutete, was es sollte, aber in diesem Fall – „Vielleicht will sie den Kontakt halten?“
Sophia schüttelte den Kopf. „Nikita hat sich in dem Augenblick von Sascha getrennt, als sich ihr Defekt gezeigt hat.“
Ihre Worte und seine Gedanken drohten, ihn in seine Vergangenheit als ungewolltes Kind zu ziehen. „Glauben Sie auch, dass Sascha einen Defekt hat?“, fragte er und schlug die Tür zu diesen Erinnerungen zu.
„Was ich glaube, spielt keine Rolle, es zählt nur, was Ratsfrau Duncan denkt.“
„Ich habe Sie nicht für einen Feigling gehalten, Sophia.“
Stille. „Was wollen Sie von mir?“ Äußerlich ruhig, aber unter der Oberfläche meinte er eine Spur ärgerlicher Verletztheit wahrnehmen zu können.
Er kam sich wie ein gemeiner Lump vor. „Ich versuche nur herauszufinden, wer Sie sind.“ Und warum sie einen Teil von ihm ansprach, der schon vor sehr langer Zeit aufgehört hatte, sich zu melden.
„Ich bin ein Niemand“, sagte sie so dumpf, dass die Frau, die ihm mit sanfter Stimme erklärt hatte, die Albträume würden vergehen, auch genauso gut seiner Einbildung hätte entsprungen sein können. „Nur ein Niemand.“
„Sophia –“
Sie fiel ihm ins Wort, das gebrochene Mädchen in ihr reagierte panisch. Er drängte sie zu sehr, sah zu viel. Sie war noch nicht bereit dazu, im
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