Fesseln der Erinnerung
Himmel schicken ließen – und sie roch so gut, dass er sein Gesicht gerne in ihrem Nacken vergraben hätte, wie es Gestaltwandler bei ihren Gefährtinnen taten. Aber ihre Augen, die ihn einmal an Rivers Augen erinnert hatten … blickten stumpf und so leblos wie die eines Roboters.
Bei den meisten Medialen hätte er das als unvermeidlichen Nebeneffekt ihres gefühllosen Wesens hingenommen, aber bei Sophia war ihm klar, dass es eine Lüge sein musste. Denn niemand, der gesehen hatte, was sie gesehen hatte, der wie sie in den blutgetränkten Spuren des Bösen watete, konnte davon unberührt bleiben.
Es sei denn, ihre Gefühle wären nicht nur begraben, sondern vollkommen ausgelöscht.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und gab den Blick auf die Frau frei, um die seine Gedanken kreisten. Sie hatte Jeans und ein graues Sweatshirt angezogen, das die Rundungen verdeckte, die sich immer mehr zu einer Obsession bei ihm auswuchsen. Ein weißes T-Shirt blitzte unter dem Sweatshirt hervor, und an den Füßen trug sie flache schwarze Sneaker.
„Ist das angemessen?“, fragte sie. „Ich bin davon ausgegangen, dass wir vielleicht noch Zeit haben werden, in der Werkstatt vorbeizuschauen.“
Er sah nicht auf ihre Kleidung, sondern auf die weichen Wellen des schulterlangen Haars. Voll und tiefschwarz luden sie dazu ein, die Hände darin zu vergraben und dabei die Zähne – genüsslich – in die volle Unterlippe zu versenken. „Ich glaube schon“, sagte er heiser.
Sie zögerte ein wenig, als hätte sie den Unterton wahrgenommen, ging dann aber sofort zur Tagesordnung über. „Auf der Fahrt werde ich Ratsfrau Duncan eine E-Mail schicken, damit der Werkstattmeister von unserem Kommen unterrichtet wird.“ Sie verschloss die Tür, nachdem sie das kleine elektronische Gerät herausgeholt hatte, das so perfekt in ihre Hand passte, als sei es ein Teil davon, und ging an seiner Seite den Flur hinunter, ihr Kopf reichte ihm kaum bis zur Schulter.
„Sie sind ziemlich kurz geraten.“ Er hätte sie ohne Schwierigkeiten in den Arm nehmen und an sich ziehen können.
Sophia wäre beinahe stehen geblieben. „Eine solche Bemerkung gilt wohl in allen Kulturen als unhöflich.“
Er zuckte die Achseln, hatte aber das kurze Zögern bemerkt, bevor sie wieder in einen gleichmäßigen Schritt verfallen war, und überlegte, was das zu bedeuten hatte – gewöhnlich versuchten Mediale, so wenig Reaktionen wie möglich zu zeigen, ganz egal, wie sehr man sie provozierte. Und wenn Max in Stimmung war, konnte er fabelhaft provozieren. „Ich habe ja nicht gesagt, dass es Ihnen nicht steht.“
„Ich bin so eine Art ‚Wiedergängerin ‘ meiner Urgroßmutter“, sagte Sophia frostig. „Sie hatte den gleichen Körperbau. Ich werde nie sehr schlank sein.“
Max konnte nicht anders, ihn ritt der Teufel. „So, wie ich das sehe, wird Schlanksein überbewertet.“
Er lächelte zufrieden, als Sophia seine Bemerkung demonstrativ überging und das Touchpad am Fahrstuhl berührte. „Wird Ihr Haustier allein in der Wohnung zurechtkommen?“
Überrascht von ihrer Sorge um Morpheus nickte er. „Ich habe ein Fenster offen gelassen.“
„Das Sims ist ziemlich schmal, und es ist mehrere Stockwerke vom Erdboden entfernt.“ Sie sah den Flur hinunter, als wolle sie wegen Morpheus noch einmal umkehren. „Und der Kater kennt die Stadt nicht.“
Bei dem Blick, den Worten, diesem kleinen Hinweis auf die Persönlichkeit hinter der eisigen Fassade sprangen seine Instinkte sofort an – Sophia Russo war doch kein medialer Roboter. Sie war etwas, jemand, sehr viel Interessanteres. „Morpheus ist ein Straßenkater“, sagte er und ihm fiel ein, wie sie die Hand nach dem Kater ausgestreckt hatte, ihn forschend betrachtet hatte, als sie sich unbeobachtet glaubte. „Das Sims ist für ihn jetzt schon der Weg nach draußen und die Stadt seine Spielwiese, das können Sie mir glauben.“
„Es ist Ihr Tier, Sie haben die Verantwortung.“
Er ließ ihr den Vortritt, als der Fahrstuhl da war, und musste sich wegen der ernsten Zurechtweisung das Lachen verkneifen. „Man hat mir gesagt, wir würden einen Wagen gestellt bekommen – wissen Sie, ob er bereits da ist?“
„Ist er. Ich habe ihn abgeholt und in der Garage im Untergeschoss geparkt.“ Sie wartete, bis er den entsprechenden Knopf gedrückt hatte, und überraschte ihn dann ein weiteres Mal. „Sie können fahren.“
Als er eine Augenbraue hob, sagte sie: „Ich hatte genügend Kontakt zu
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