Fesseln der Gewalt 2 (German Edition)
wenig später mit Oliver im Schlepptau nach oben zu kommen. Mit einer Hand hielt er den offensichtlich lädierten Mann am Kragen und übergab mit der anderen die Karten meiner Mutter.
„Ihr könnt die Tür einfach ins Schloss ziehen, wenn ihr geht“, sagte Servan und schob Oliver vor sich her in Richtung Van, wo er ihn in den Laderaum stieß.
Ohne ein weiteres Wort wollte er einsteigen, doch ich packte ihn am Ärmel und hielt ihn zurück.
„Was soll das heißen, dass wir die Tür zuziehen sollen, wenn wir gehen? Was ist mit uns? Werden wir uns gar nicht mehr sehen, oder was?“, fragte ich fassungslos.
Mit undurchsichtigem Blick strich Servan mir zärtlich über die Wange, stieg dann jedoch wortlos ein. Er ließ das Seitenfenster runter, starrte aber stur geradeaus.
„Ich bin nicht gut für dich, Vinzent, und zudem viel zu alt.“
Ohne mir die Möglichkeit einer Erwiderung zu bieten, startete er den Motor und fuhr davon.
***
Es brach mir das Herz Vinzent zurückzulassen. Ein Abschied für immer sollte es sein, das hatte ich mir vorgenommen. Uns trennten zwölf Jahre und er war einfach zu gut für mich. Wie könnte ein Engel einen Dämon lieben, das war eben unmöglich.
Ich versank auf der Fahrt in Selbstmitleid, ignorierte Oliver, der auf der Ladefläche fluchende Laute von sich gab. Mein Fahrstil war wie meine innere Verfassung, durcheinander und wütend, Letzteres über mich selbst.
Vinzents Küsse waren nicht vergleichbar mit einem irdischen Geschmack, seine Augen machten jedem Stern Konkurrenz und sein Lächeln brachte selbst mein eisiges Herz dazu, Feuer zu fangen.
Mein Fuß trat aufs Gaspedal und obwohl ich es wahrnahm, ignorierte ich es, sah nur noch Vinzents Augen und sein Lächeln vor mir. Ein Engel, von Gott gesandt, der den Weg zum Teufel fand.
Ich hatte fast die Stadtgrenze erreicht, als mir eine Baumgruppe ins Auge fiel, auf die ich den Wagen geradewegs zulenkte. Das würde meinen Schmerz erträglicher machen! Voller Überzeugung, damit alles vergessen zu können und es Vinzent einfacher zu machen, seine verwirrten Gefühle zu ordnen.
Mein Blick war nur noch auf einen einzigen Baumstamm fixiert, wie hypnotisiert starrte ich ihn an, als plötzlich ein Brüllen an mein Ohr drang.
„Du verdammter Idiot, halt an. STOPP!“, schrie Oliver und hämmerte gegen die Trennwand.
Erschrocken riss ich das Lenkrad herum, doch auch ein Bremsen half nicht mehr viel. Mit der Beifahrerseite krachte der Wagen in den Baum. Lautes Knacksen von Holz drang in mein Ohr, bevor mir schwarz vor Augen wurde.
Es dämmerte bereits, als ich wieder zu mir kam, eine Gänsehaut überzog meinen schmerzenden Körper. Mühsam schnallte ich den Gurt ab und stieg aus dem Auto. Um mich herum war nur Gestrüpp, ich war nicht an den Baum geprallt, den ich anvisiert hatte, sondern in einen dahinterstehenden, der von Büschen und Gräsern umrandet war. Das erklärte auch, wie es sein konnte, dass der Van bis jetzt unbemerkt geblieben war.
Der Wagen hatte Totalschaden, was mich betrübt den Kopf senken ließ. Fluchend trat ich gegen den Reifen. Meine Schmerzen ließen langsam nach und die, welche sich noch bemerkbar machten, waren nicht schlimmer als Prellungen.
Stirnrunzelnd sah ich auf den Van, dann fiel mir Oliver wieder ein. Leicht nervös öffnete ich die Ladefläche. Da lag er, bewegte sich nicht, doch sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig.
Ich kletterte hinein und trat gegen sein Bein. „Steh auf, Endstation! Genug geschlafen!“
Seine Augenlider flatterten, als er sich aufrichtete. „Wer meinte denn, gegen einen Baum fahren und dann auch noch ‚ladylike‘ in Ohnmacht fallen zu müssen? Du warst schon immer ein Weichei und wirst es auf ewig bleiben!“ Mit diesen abfälligen Worten kroch er von der Ladefläche und verschwand in der Dunkelheit.
Am liebsten hätte ich ihm noch eine in die Fresse gehauen, doch ich war zu erschöpft. Meine Glieder schmerzten von den Prellungen und der unbequemen Körperhaltung während der Ohnmacht.
Ich lehnte mich gegen das kalte Metall meines Vans und sah hinauf zu den Sternen. Es war, als würde ich in Vinzents Augen sehen. Wie sehr ich mir wünschte, er würde mich in seinen Armen halten, sich an mich schmiegen und mir das Gefühl der Kälte nehmen. Seine zarten Lippen, die sich auf meinen Hals legen würden, seine kundigen, warmen Finger, die meine Haut erforschten. Sein Geruch nach Sommer, herb und süßlich zugleich, würde mich verführen. In einem Rausch der
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