Fesseln der Leidenschaft
leiten lassen. Es gab nicht viele Vorbilder, die eine solche Loyalität auslösten. Er war jung. Er war stark. Er war gut zu Tieren, wie sie es bei der braunen Katze bemerkt hatte, die heute auf seiner Schulter geritten war. Und er hatte keine anderen Verpflichtungen. Lord John und auch Lord Richard hätten ihre Zeit zwischen Reinas und ihren eigenen Gütern sowie denen ihrer Familienangehörigen aufteilen müssen. Daß Ranulf sich nur Clydon widmen würde, machte ihn tatsächlich zur besseren Wahl.
Ja, es sprach vieles zu seinen Gunsten – doch auch vieles gegen ihn. Reinas Hauptproblem lag in seiner Körpergröße, die schon allein eine Waffe bedeutete. Dann war da noch seine grimmige Art, die selten fröhliche Laune auf kommen ließ. Und sein einfach grauenvolles Benehmen! Die Tatsache, daß er Damen mißtraute und sie ablehnte, wie Sir Walter behauptete, machte das Zusammenleben mit ihm bestimmt auch nicht leichter. Und er war unberechenbar. Wer hätte gedacht, daß er einen Besitz wie Clydon zurückweisen würde?
Auch mit Theodric würde es ein Problem geben, wenn Ranulf nicht überredet werden konnte, den Zwischenfall mit dem Jungen zu vergessen. Und wie er Reinas Zinsbauern behandelte, würde sich heraussteilen.
Was Reina außer seiner Größe fürchtete, war, daß er auf ihre Gefühle keine Rücksicht nehmen würde. Sie wußte, daß er sie nicht mochte. Er war schon recht grob zu ihr gewesen. Daß er nun die Macht besaß, sie nach seinem Gutdünken zu verletzen und zu beschämen, raubte ihr den Seelenfrieden. Doch wiederum verdiente der Mann, daß man ihm auch Gutes zutraute. Reina konnte nur hoffen, daß ihre Heirat sich nicht als der schlimmste Fehler ihres Lebens erwies.
Ihr Pferd trottete nun, da keine Eile mehr vonnöten war, gemächlich hinter Ranulfs Reittier her. Reina hatte gehofft, die Nacht im Kloster verbringen zu können, denn dort wäre man ihr wohl zu Hilfe geeilt, wenn sie geschrieen hätte. Doch soviel Glück wurde ihr nicht zuteil.
Pater Geoffrey hatte ihnen getrennte Schlafräume angeboten. Reinas frischgebackener Ehemann hätte sich dadurch gewiß nicht abhalten lassen, seine junge Frau aufzusuchen, doch die Nähe der Mönche hätte ihre Angst etwas gemildert. Aber Ranulf hatte das Angebot abgelehnt.
Reina fühlte sich nicht ›verheiratet‹, doch das würde sich ändern, ehe die Nacht vorbei war. Ihr inneres Zittern dauerte fort, je mehr sie daran dachte. Sie wußte, was geschehen würde. Sie hatte es sich oft mit Richard oder auch mit John vorgestellt, aber nie mit einem Riesen. Früher hatte sie sich auf ihre Hochzeitsnacht gefreut, denn die Zeit war längst reif, die Liebe kennenzulernen. Jetzt … Sie konnte sich nur mit Selbstvorwürfen plagen, weil sie mit ihrem dummen Kinderwunsch Ranulf angestachelt hatte, gleich heute nacht mit ihr zu schlafen. Hätte sie den Mund gehalten, wären ihr Tage geblieben, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
Doch ein kleiner Aufschub wurde ihr gewährt. Ranulf stieg vor seinem Zelt ab und machte eine Kopfbewegung zu dessen Eingang hin. »Tun Sie, was Sie für nötig halten. Ich folge Ihnen bald.«
Dieses ›bald‹ belief sich auf zwei Stunden, was bewies, daß Ranulf dem ehelichen Akt ebenso zögerlich entgegensah wie sie. Der Riese benötigte sogar die Unterstützung von zwei Krügen Wein, die Pater Geoffrey anläßlich der feierlichen Handlung gespendet hatte. Reina hätte gern auch etwas Wein getrunken. Was sie bekam, war Wasser aus dem irdenen Geschirr in Ranulfs Zelt und die Gelegenheit einer Begegnung mit Ranulfs Buhle, einem großen, stämmigen Mädchen, das fast so schön war wie Eadwina. Die Person räkelte sich im Bett, auf die Ellenbogen zurückgelehnt und mit gespreizten Knien in eine Position, wie Reina sie aufreizender und unzüchtiger nie gesehen hatte.
Das Treffen überraschte beide Frauen, denn die Dirne war offensichtlich nicht anwesend, um Reina zu helfen, sondern Ranulfs Rückkehr abzuwarten. Zweifellos hatte ihr niemand von der Heirat des Riesen erzählt, andernfalls hätte sie wohl kaum gewagt, sich mit ihrer himmelschreienden Einladung derartig zu präsentieren.
Reina war jedoch nicht verärgert, zumal das Mädchen entsetzt aufsprang, Entschuldigungen murmelte und flehte, dem Lord nichts davon zu sagen, daß sie ohne Aufforderung gekommen war.
»Nachdem du schon da bist … «
»Mae, meine Lady«, stieß das Mädchen hervor. »Ich heiße Mae.«
»Gut, Mae, dann kannst du mir dieses eine Mal mit meinem Schnürband
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