Fesseln der Leidenschaft
helfen«, erklärte Reina sachlich. »Da ich den Lord geheiratet habe, erwarte ich, dich zum letztenmal zu sehen. Wir werden morgen nach Clydon zurückkehren. Du wirst verstehen, wenn ich dich auffordere, dort nicht herumzulungern.«
Mae nickte nur. Sie konnte nicht glauben, daß sie unter diesen Umständen so leicht davonkam. Auf den Befehl einer Lady hin war sie schon einmal ausgepeitscht worden, weil die Dame nur den Verdacht gehegt hatte, ihr Mann habe Mae besucht. Und es war schon manche Hure von eifersüchtigen Herrinnen beseitigt worden. Das war einer der Gründe, warum Mae den umherziehenden Männern folgte, denn in Lagern brauchte sie keine Damen zu erwarten; und die Ehefrauen der Soldaten besaßen keine Macht über sie, wenigstens keine tödliche. Wenn der Lord geheiratet hatte, wollte Mae nichts mehr mit ihm zu tun haben. Die Liebe war es nicht wert, daß man sein Leben riskierte. Sollten sich in Zukunft die Clydon-Huren um den Herrn bekümmern – und er würde sie nötig haben, wenn diese Lady so gleichgültig war, wie sie erschien.
Reina empfand Mitleid mit der nervösen Mae und entließ sie, ehe die Dirne das Mieder verknotete, anstatt es zu lösen. Reina beendete die Arbeit selbst, was ebenso schwierig war wie das Anziehen ohne Hilfe. Ohne ihr Leibchen und die Kniehose, die Kenric übersehen hatte, als er in der Dunkelheit Kleidungsstücke zusammenraffte, hatte sie sich den ganzen Tag fast nackt gefühlt. Doch wenigstens hatte der Junge ein Paar ihrer Schuhe mitgenommen. Barfuß zu heiraten, hätte diesem schauderhaften Tag wirklich die Krone aufgesetzt.
Eine Menge Zeug lag in dem Zelt herum, doch nachdem
Reinas Mann bisher ein Söldner gewesen war, mußte einen das nicht wundern; sicher schleppte er seine ganze Habe mit, wenn er unterwegs war. Es gab einen verschlossenen Tresor und eine kleine Truhe, die nicht viel Kleidung enthalten konnte. Darauf stand eine Schüssel mit Wasser, daneben lag ein Handtuch. Dieser Waschgelegenheit wollte Reina sich bedienen, denn ein Bad würde sie hier gewiß nicht beanspruchen können. Um einen runden Tisch waren mehrere Stühle gruppiert, auf dem Tisch befanden sich das irdene Geschirr, ein paar Becher und Öllampen. Die Schlafstelle bestand aus einer dicken, sehr langen und breiten Matratze, die zweifellos für den Riesen angefertigt worden war. Das Bettzeug erwies sich als erstaunlich fein: eine weiche Wolldecke und Tücher aus Leinen – edler, als Reina erwartet hatte. In der Ecke stand eine Kiste mit Kriegsmaterial. Einige Waffen, die nicht hineinpaßten, ragten daraus hervor – vor allem ein Schwert, ähnlich demjenigen, das Ranulf trug, und … eine braune Katze.
Reina wunderte sich einen Moment über diesen zweiten Gast, der sie mit leuchtenden, gelben Augen aus der Dunkelheit anstarrte. Doch dann war sie entzückt, Gesellschaft zu haben, die keine Widerworte gab. Reina mochte Katzen und sorgte dafür, daß sie in Clydon immer ebensogut gefüttert wurden wie die Jagdhunde, denn auch sie erfüllten ihren Zweck, indem sie die Nagetiere dezimierten.
Die Anwesenheit der Katze in Ranulfs Zelt bewies, was Reina schon vorher vermutet hatte – das Tier war der Liebling des Riesen. Daß so ein großer, mürrischer Mann ein so kleines, noch dazu häßliches Vieh liebte, wirkte zumindest ungewöhnlich. Der Schwanz der Katze war am Ende abgeknickt, das Fell kurz und räudig, weil frische Milch und ein gelegentliches Ei in der Nahrung fehlten. Hecken geröteter Haut wiesen auf eine schlimme Flohplage hin.
Davon abgesehen war das Tier recht zutraulich. Es kam näher, als Reina lockende Laute von sich gab, und rieb sich an ihrem Bein. Sie beugte sich herab und kraulte es hinter den Ohren, bis es zufrieden schnurrte. Die junge Frau lächelte. Hier war wenigstens jemand, der sie mochte.
Reina war nur noch mit ihrem Unterhemd bekleidet und machte sorgfältig Toilette, während sie mit der Katze redete, die ihr um die Beine strich und als Antwort überlaut schnurrte. Dieses Schnurren war beruhigend, und Reina benötigte etwas Beruhigendes. Sie wühlte in Ranulfs Truhe und fand einen Kamm, den sie gut gebrauchen konnte.
Doch das Kämmen ihrer Haare kostete nicht viel Zeit, obwohl die Locken reichlich zerzaust waren. Überlegungen, was Ranulf so lange aufhalten könnte, hatten keinen Sinn. Er würde kommen, wenn er sich bereit fühlte. Sie dachte daran, ein wenig zu schlafen, wußte aber sofort, daß sie keine Ruhe finden würde.
Schließlich hob sie die Katze hoch
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