Fesseln der Leidenschaft
des Dankes habe ich dafür bekommen, daß ich die Lady überredete, dich zu nehmen.«
»Überredete? Mein hübsches Gesicht hat sie bezaubert. Fiel sie nicht in Ohnmacht, als sie mich zum erstenmal sah?«
»Sie ist dir zu Füßen gefallen.«
Sie warfen einander die Scherzworte zu, bis sie die Reitergruppe wieder trafen. Das Wild war erlegt, die Jäger umstanden es und diskutierten erregt. Walter gesellte sich zu ihnen, doch Ranulf war erneut überwältigt vom Anblick seiner Frau, die ihn nun mit deutlicher Absicht ignorierte.
Er mußte sich fragen, ob an Walters Bemerkungen etwas Wahres dran sein mochte. War er zu grob mit Reina umgegangen? Er hatte irgendwie vergessen, wie zierlich sie war. Hatte er ihr weh getan? War sie zu dickköpfig, ihm das zu sagen, und verwandelte sich ihr körperlicher Schmerz in Ärger?
Was er von Damen wußte, das gefiel ihm nicht, doch tatsächlich wußte er wenig über sie. Die beiden, die an seiner Abneigung gegen ihre Artgenossinnen schuld waren, hatten ganze Arbeit geleistet. Seit der Zeit seiner schlechten Erfahrungen ging er adligen Frauen aus dem Weg. Nun war er mit einer verheiratet, einer Frau, die überhaupt kein Verständnis für ihn hatte und ihn so weit brachte, an seinem eigenen Verhalten zu zweifeln, wo er doch nicht anders sein konnte, als er war.
Sie hatte recht, was seinen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht betraf. Die gestohlenen Augenblicke verlangten, daß er sofort zur Sache kam, denn eine Dienerin oder Leibeigene hatte selten freie Zeit zur Verfügung. Die Weiber waren immer leicht zu haben gewesen. Sie kosteten nicht mehr als irgendeinen billigen Tand oder ein ordentliches Essen – oder gar nichts, weil sie einen Mann von seiner Größe als Neuheit betrachteten und ihn ausprobieren wollten.
Er hatte niemals eine Frau umwerben müssen, nicht einmal Lady Anne, denn sie war diejenige gewesen, die ihre Affäre begonnen hatte. Und sie hatte sich nie über seine Grobheit beschwert, falls er grob gewesen war. Er konnte sich nicht an Einzelheiten ihrer leidenschaftlichen Begegnungen erinnern, nur daran, daß sie ebenfalls in Eile stattgefunden hatten, denn die Angst vor Entdeckung war sehr groß gewesen. Damals war Ranulf erst fünfzehn Jahre alt und über beide Ohren verliebt gewesen. Als er wieder klare Gedanken fassen konnte, war es zu spät für ihn, unter der süßen Schale den durch und durch verdorbenen Kern zu erkennen.
Vernunftmäßig wußte Ranulf, daß es unfair war, alle Damen mit dieser Hure Anne zu vergleichen, und trotzdem tat er es. Was seine Frau anging, so war sie durch die Information über seine Jugendzeit gewarnt, und sie hatte auch eine Kostprobe seines Benehmens erlebt, ehe sie sich für ihn entschied. Ein Mann lernt durch Vorbilder, und sein Vorbild war zuerst der Schmied, sein Stiefvater, gewesen, dann Montfort – beides Männer, die sich an Grobheit überboten und immer gleich zuschlugen. Walter hatte versucht, ihm andere Beispiele zu geben, und ihn wegen seines Mangels an Höflichkeit heftig verspottet, doch Walters eigene gute Sitten gingen während der Jahre bei Montfort beinahe verloren.
Ranulf war ein Produkt seiner Erziehung. Wenn das seiner Frau nicht paßte, mußte sie die Erfüllung ihrer Wünsche anderswo finden …
Dieser Gedanke fraß sich tief in Ranulfs gute Stimmung. Es würde kein ›Anderswo‹ geben, nicht für Reina. Die Lady hatte sich an ihn gehängt und würde ihre Ansprüche entsprechend herunterschrauben müssen. Aber vermutlich konnte er die Behandlung, die sie bisher von ihm erfahren hatte, nicht als sanft bezeichnen.
Seit der ersten Begegnung hatte er Reina auf den Boden fallen lassen, hatte sie gefesselt und in ein Leintuch gewickelt, Getreidesäcke auf sie werfen lassen – und Gott allein wußte, auf welche Art er sie in der Hochzeitsnacht genommen hatte, denn er war zu betrunken gewesen, um sich zu erinnern. All das verdiente sie nicht, und was würde es ihn kosten, wenn er sich weniger ›viehisch‹ benahm? Ja, ›viehisch‹ war das Wort gewesen, das sie benutzt hatte.
Er konnte es wenigstens versuchen, so zu sein, wie sie es sich wünschte. Zur Belohnung würde es die Annehmlichkeiten geben, die Walter erwähnt hatte. Und Reina hatte ihm so viel geschenkt, mehr, als er erwartet hatte, je zu besitzen. Er würde einen Versuch wagen.
24
Reina hatte ihre gute Laune wiedergefunden, als sie die erste Zugbrücke von Clydon überquerten. Wenigstens ihre Gäste hatten sich amüsiert, wenn bei ihr auch
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