Fesseln der Leidenschaft
Ihnen auch nicht danke für das, was mir gehört.«
Ihr Blick hob sich, und ein argwöhnisches Schimmern lag darin. Doch Ranulfs Lächeln verriet ihr, daß sie ihren Mann nicht mißverstanden hatte. Er erinnerte sie daran, ohne es direkt auszudrücken, daß er jedes Recht besaß, sie im Wald oder sonstwo zu nehmen, wenn er Lust danach verspürte. Ihre Zerknirschung verflog auf der Stelle.
Doch ehe sie eine passende Belehrung Vorbringen konnte, was sie über seine Rechte dachte, ging er zu einem anderen Thema über. »Aus reiner Neugierde möchte ich Sie fragen, ob Sie tatsächlich eine Heirat mit diesem kleinen … «
»Sprechen Sie es nicht aus!« stieß sie heftig hervor. »Wie können Sie es wagen, einen Mann nach seiner Erscheinung zu beurteilen?«
»Seine Erscheinung sagt mir, daß ich ihn mit einem tiefen Atemzug umblasen könnte.«
Sie fuhr hoch, denn seine Augen lachten schon wieder. »Glauben Sie? John mag nicht viele Turniere gewinnen, aber das heißt nicht, daß er nicht mit einem Schwert umgehen kann oder flinker ist als manches größere Ungeheuer.«
»Ich will es auf einen Versuch ankommen lassen.«
Ihre Brauen hoben sich zu spöttischen Strichen. »Um Ihren Atem gegen sein Schwert zu richten?«
Er schnaubte. »Das habe ich nicht gemeint.«
»Natürlich nicht. Aber wagen Sie es, an meiner Hochzeitsfeier Ihr Schwert zu einem anderen Zweck zu benutzen als ein Stück Fleisch zu schneiden, dann werden sie – wie jeder beliebige Narr – Ohrfeigen von mir beziehen.«
»Denken Sie, daß Sie meine Ohren erreichen können?«
Sie hätte wissen müssen, daß er unritterlich genug war, um die Herausforderung einer Dame anzunehmen. »Mit Hilfe eines Stuhles, wenn es sein muß.«
Er lachte. »Wenn ich in der Nähe bin, brauchen Sie keine Stühle.«
Sie sprang zurück, als er nach ihrer Taille griff, um es ihr zu beweisen. Mit einer Hand wehrte sie ihn ab und warf einen Blick in die Runde, ob sie bei diesem lächerlichen Theater beobachtet wurden. Daß das nicht der Fall zu sein schien, beruhigte sie keineswegs.
»Jesus, heute kann man nichts mit Ihnen anfangen, und ich habe Besseres zu tun, als mit Ihnen meine Zeit zu verschwenden.«
»Reina?«
Sie hatte sich schon abgewendet, doch nun drehte sie sich um. Sie war bereit, ihn mit einem kleinen Temperamentsausbruch zu überraschen, doch sie öffnete nur den Mund, da sie nicht gleich erkannte, was Ranulf ihr zuwarf.
»Ich glaube, das gehört Ihnen«, meinte er mit trügerischer Sanftheit. »So etwas sollten Sie nicht herumliegen lassen! Es könnte Männer auf dumme Ideen bringen.«
Sie blickte sprachlos auf das Kleidungsstück in ihrer Hand und atmete keuchend ein, während sich eine glühende Röte über ihr Gesicht ergoß. Entsetzt stopfte sie das Höschen in ihren weiten Ärmel, warf ihrem Gatten einen vernichtenden Blick zu und schlüpfte hinaus, ehe jemand merkte, wie sie zusammengeschrumpft war. Sie hatte das Gefühl, in einem Mauseloch verschwinden zu müssen.
25
In der Abenddämmerung zeigte eine düstere Wolkenbank den bevorstehenden Regen an, doch Reina schaffte es, zum Wohntrakt zurückzukehren, ehe die ersten Tropfen fielen. Sie hatte den Rest des Nachmittags im Dorf verbracht und sich um die Kranken und Verwundeten gekümmert, die sie in der vergangenen Woche vernachlässigt hatte. Normalerweise besuchte sie alle paar Tage für ein bis zwei Stunden das Dorf, wenn nicht jemand ernsthaft erkrankt war, was glücklicherweise momentan nicht zutraf.
Die Schwester des Bäckers war wieder schwanger und benötigte einen neuen Vorrat an Malven für Tee. Der alte Delwyn brauchte Gichtkraut für seine geschwollenen Gelenke. Die Rote Alma, die Dorfhure, war beim Melken von ihrer Kuh getreten worden, und die kleine Verletzung hatte sich zu einer bösen Infektion entwickelt. Reina überließ der Frau genügend Schachtelhalm für mehrere Anwendungen und außerdem die Schönheitssalbe aus Schlüsselblumen, die Alma ihr immer entlockte, um ihre Sommersprossen zu behandeln. Es gab die üblichen Erkältungen, Halsentzündungen und Fieberschübe; ein Hundebiß mußte versorgt, einige Wurmerkrankungen bekämpft werden. Da Reina schon einmal dabei war, mischte sie für sich selbst einen Extrakt aus süßen Veilchen, der einen beruhigenden Effekt besaß.
Sie blieb viel länger, als sie gebraucht wurde. Bei ihrer Geschicklichkeit waren nie mehr als zwei Stunden nötig, um jeden zu versorgen. Diesmal zog sie ihre Besuche in die Länge; sie beantwortete die
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