Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
…«
»Wage es nicht, deine Rollstuhlkarte gegen mich auszuspielen«, zischte Saber. »Das habe ich nicht verdient. Ich werde mich jetzt unter die Dusche stellen und mir etwas Frisches zum Anziehen suchen. Ich rede mit dir, wenn ich mich wieder beruhigt habe. Mach die Tür auf, Jesse.«
Jesse begriff, dass er schon einiges erreicht hatte, wenn sie nach dem Duschen mit ihm reden würde. Mehr ließ sich nicht rausholen. Wenn er sie in noch größere Wut versetzte, würde sie sich nicht anhören, was er zu sagen hatte. »Wir können uns in der Küche treffen, wenn du geduscht hast.«
Sie stand da, wartete und pochte schweigend mit ihrem Fuß auf den Boden.
»Es ist einfacher, Türen zu schließen, als sie zu öffnen«, gestand er. »Wir treffen uns in fünfzehn Minuten.«
Saber riss die Tür auf und stolzierte durch den Flur. Sie rannte die Treppe hinauf. Sie war wütend auf Jesse, zornig, weil er sein Leben aufs Spiel setzen wollte. Er
hatte ein gutes Leben. Die meisten Leute hätten alles dafür gegeben, das zu haben, was er hatte. Eine Familie. Eltern, die ihn liebten. Eine Schwester wie Patsy.
»Der Teufel soll dich holen, Jesse«, rief sie und schlug die Badtür zu.
Ihre Laune besserte sich nicht, als sie einen Stapel brandneuer Kleidungsstücke fand, der auf sie wartete, ordentlich zusammengefaltet und noch mit den Preisschildern versehen. Es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn Patsy oder sogar Mari die Sachen gekauft hätte, aber sie hatte den Verdacht, Mari wäre nicht auf den Gedanken gekommen, und Patsy lag im Krankenhaus. Nein, das kam von Lily. Die Größen stimmten, und es war so ziemlich alles dabei, was sie brauchen würde.
Sie holte tief Atem, um sich zu beruhigen, bevor sie sich unter die Dusche stellte und ihr Gesicht hob, um das heiße Wasser über sich rinnen zu lassen. Auch wenn sie es noch so sehr wollte, konnte sie es Jesse nicht wirklich vorwerfen, dass er sie um Hilfe gebeten hatte, damit er wieder laufen konnte. Er wäre nie ein SEAL gewesen und hätte sich auch nicht den Schattengängern angeschlossen, wenn sein Bedürfnis nach Taten und Gefahren nicht so groß gewesen wäre. Er musste ungeheuer patriotisch sein, und er brauchte unbedingt einsatzfähige Beine, um wieder an Gefechten teilzunehmen.
Während sie Shampoo in ihr Haar massierte, dachte sie über Patriotismus nach. Sie verabscheute alles an Whitney und wollte glauben, dieses Ungeheuer hätte keine guten Eigenschaften, aber er war ein brillanter Forscher, und seine Trainingsmethoden führten zu Erfolgen. Sie fürchtete sich vor der Dunkelheit, und doch konnte sie sich in vollständigem Dunkel durch ein Haus bewegen
und unfehlbar ihr Zielobjekt finden. Sie war von Natur aus gefühlvoll und konnte doch gefoltert werden, ohne aufzuschreien. Sie konnte nicht gut mit Schmerzen umgehen, aber sie hatte gelernt, sie hinzunehmen. Und warum machte Whitney sich vor, das Endergebnis rechtfertigte die Mittel? Patriotismus.
Whitney war Patriot. Sie wusch das Shampoo aus ihrem Haar und massierte eine Spülung ein. Die Schattengänger waren alle Patrioten. »Ich bin es nicht.« Sie sagte er laut vor sich hin. Trotzig. Sie würde nicht töten, weil irgendein Mistkerl auf einem hohen Regierungsposten beschloss, jemand müsste sterben. Was war bloß los mit allen anderen? Wie konnten sie einem Befehl vertrauen, der von jemandem kam, den sie nicht einmal kannten? Von jemandem, der sich absolut nichts aus ihnen machte? Von jemandem, der vielleicht sogar seine eigenen Absichten hatte oder so verrückt war wie Whitney. Das leuchtete ihr nicht ein.
Sie trocknete sich ab und sagte sich noch einmal, sie würde sich nicht von Jesse überreden lassen. Das wäre der Gipfel der Dummheit. Aber ihr Mut sank, denn sie wusste, wenn Jesse genau das Richtige sagte und sie auf eine bestimmte Weise ansah, würde sie nachgeben – weil sie ihn liebte. Die Liebe schien sie dazu zu bringen, echte Dummheiten zu begehen.
Sie zog sich sorgfältig an und versuchte, sich damit zu wappnen, bevor sie nach unten ging. Es verschlug ihr immer wieder den Atem, wie gut Jesse aussah. Sie hatte ihn einmal stehen sehen, und er hatte einen imposanten Anblick geboten. Sie fühlte sich sicherer, wenn er im Rollstuhl saß. War das der Grund, weshalb sie Nein sagen wollte? Steckte mehr dahinter als nur ihre Furcht, ihm
etwas anzutun? Sie hoffte nicht. Sie hoffte, sie sei nicht so engstirnig, aber zum ersten Mal in ihrem Leben war sie auch glücklich gewesen. Wenn Jesse stand, lief
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