Fesseln der Sehnsucht
wird erst wieder zugelassen, wenn es den fünfzehnten Zusatz ratifiziert. In Georgia herrscht wieder das Militärgesetz. Weißt du, wie weit das den gesamten Süden zurückwirft?«
»Aber die Legislative von Georgia muss sich doch klar darüber sein, welche Folgen es haben muss, wenn sie in alte Muster zurückfällt.«
»Cinda, all diese Veränderungen wurden dem Süden aufgezwungen! Es braucht Zeit, um die Bürger an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Die Leute haben ihren Stolz … Seit Jahren wird über ihren Kopf hinweg entschieden, werden ihnen Gesetze auferlegt. Ich entschuldige das Vorgehen in Georgia nicht, aber die Bürger müssen ein Wort mitzureden haben. Georgia ist ebenso Teil dieser Nation wie Massachusetts oder New York und den Bürgern dieses Staates stehen die gleichen Rechte zu. Aber wie es aussieht, werden sie diese Rechte nie wieder erhalten.
Jedes Mal, wenn die Unionstruppen abziehen, wird so etwas passieren, und dann wird wieder Druck von oben ausgeübt. Es wird nie ein Ende haben.«
»Heath …«
»Ich habe den Süden verlassen, weil ich es nicht länger ertragen konnte«, fuhr er fort, ohne auf ihren Versuch, ihn zu unterbrechen, zu achten. »Die Enttäuschung, die Ohnmacht … die ich überall spürte. Sie lag in der Luft, die wir atmeten. Es gab kein Entrinnen, keinen Ausweg. Wir waren geschlagen … aber dann gab es wieder Hoffnung … alles würde möglicherweise wieder in Ordnung kommen. Vielleicht könnten wir einen Neuanfang finden …
Vielleicht meinte euer verdammter Mr. Lincoln es ja ehrlich, als er sagte, er wolle dem Süden hilfreich und versöhnlich die Hand reichen…«
»Er wurde ermordet …«
»Ja, er wurde erschossen. Und dann kam Johnson, dieser unfähige Idiot und nach ihm Grant, dem alles gleichgültig ist solange ihm niemand in seine Börsenspekulationen dreinredet. Der Krieg war kaum zu Ende, als Tausende Nordstaatler in den Süden einfielen, um zu plündern und zu rauben. Das ging jahrelang so, immer wieder. Wir sind die einzigen Amerikaner, die einen Krieg verloren und vom Feind besetzt und ausgeplündert wurden. Die Menschen lassen sich das nur eine gewisse Zeit gefallen, ehe sie zurückschlagen, und zwar mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Es ist ihnen egal, ob es richtig oder falsch ist, was sie tun, Sie wollen sich zur Wehr setzen, etwas tun, um ihre Rechte wiederzuerlangen …«
»Ich weiß«, sagte Lucy leise. »Ich weiß, dass du deine Landsleute verteidigen willst und dass es dein groß tes Anliegen ist die Menschen zu bewegen, sich wieder zu versöhnen. Aber du kannst nicht von Damon erwarten, dass er die Sache des Südens vertritt.«
»Das verlange ich nicht von ihm. Ich wollte lediglich einen gemäßigten Leitartikel von ihm. Keine radikale Polemik …«
»Und er weigerte sich, ihn zu schreiben?«
»Er schrieb den Leitartikel. Aber er vertrat die Meinung der Regierung. Das brachte er sehr deutlich zum Ausdruck.«
»Hast du versucht, vernünftig mit ihm zu reden?«
»Genauso gut hätte ich mit dem Kopf gegen die Wand rennen können. Er ist zu keinem Zugeständnis bereit.«
»Und du bist explodiert«, meinte Lucy wehmütig.
Heath schenkte sich ein drittes Glas Whiskey ein und warf ihr einen warnenden Blick zu, bloß keinen Einwand zu wagen. Lucy schwieg klugerweise. »Ich schlug vor, den Leitartikel diesmal selbst zu verfassen, worauf er entgegnete, er verlasse die Zeitung, wenn ich das tue.«
»Heath«, entfuhr es Lucy entsetzt bei dem Gedanken, dass all seine Pläne, all seine Hoffnungen sich in Nichts auflösen sollten.
»Ich weigere mich, diesen Leitartikel so zu drucken, Cinda«, fuhr er mit belegter Stimme fort und schüttete den Whiskey in sich hinein. »Ich würde alles verraten, woran ich glaube. Ich kann die Entwicklung nicht einfach ignorieren. Es ist die Pflicht einer Zeitung, solche Themen aufzugreifen und Stellung zu beziehen. Das ist der Grund, warum ich eine Zeitung machen will.«
Lucy faltete die Hände im Schoß und senkte den Blick. Ihr Verstand und ihr Herz waren in wildem Aufruhr. Was sollte sie tun? Was konnte sie ihm sagen?
Der scharfe Knall schreckte sie hoch, als Heath das Glas in den Kamin schleuderte, das in tausend glitzernden Scherben zerbarst. Ein Funkenregen stob von einem glühenden Scheit auf. Verängstigt von seinem Wutausbruch senkte Lucy den Blick wieder auf ihre verschränkten Hände.
»Sag mir, wie ich dir helfen kann«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
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