Fesseln der Sehnsucht
weiß, dass er Ihnen vertraut.«
»Und Sie?« In Damons dunklen Augen blitzte ein schalkhafter Funke und Lucy wusste nicht genau, wieso er diese Frage gestellt hatte.
»Ich vertraue Ihnen auch«, antwortete sie leise. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss nach Heath sehen. Sowers bringt Sie zur Tür.«
Leicht verwirrt stieg Lucy die Treppe hinauf. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie von Damon Redmond nichts zu befürchten hatte, doch er behandelte sie mit einem solchen Maß an höflicher Distanz, als fürchte er, sie könne ein wohlgehütetes Geheimnis erraten. Er hatte ihre Dankbarkeit nicht hören wollen, doch er war geblieben wie ein unauffälliger Schatten und wartete ab, bis er Gewissheit hatte, nicht mehr gebraucht zu werden.
In dieser Nacht wachte Lucy über den Schlaf des Kranken, flößte ihm Medizin ein, wenn er aufwachte, und breitete noch eine Decke über ihn, wenn er vor Kälte zitterte. Erschöpft sank sie gegen Morgen in einen unruhigen Schlaf.
Beim Erwachen stellte sie fest, dass das Bettzeug durchgeschwitzt war. Heath klebte das Haar nass in der Stirn.
»Heath?« Sie zog ihm die Decke bis zu den Schultern hoch und versuchte ihn warm zu halten, bis die Bettwäsche gewechselt werden konnte. Er wiegte den Kopf rastlos auf dem Kissen hin und her, seine Lider hoben sich schwer über fiebrig glänzenden Augen.
»Nein, nicht«, stammelte er und wollte die Decken abschütteln. »Heiß … es ist so heiß …«
»Ich weiß«, sagte sie sanft und legte ihm die Hand auf die glühende Stirn. Sein ganzer Körper strahlte eine Hitze aus wie ein Backofen. »Still … bitte, sei still. Mir zuliebe.« Er murmelte etwas Unverständliches, die Lider fielen ihm zu, er wandte das Gesicht von ihr ab.
Bess, die einmal verheiratet gewesen war, erwies sich als tüchtige Hilfe. Sie stellte sich nicht zimperlich an, als die beiden Frauen Heath in trockene Tücher wickelten und das Bett frisch bezogen. »Der Arzt sagt, das Fieber wird in ein, zwei Tagen wieder sinken«, sagte Lucy leise.
»Das ist gut«, antwortete Bess und blickte zweifelnd auf die reglose Gestalt im Bett. Heath’ Rastlosigkeit hatte sich gelegt, nun schlief er wie ein Bewusstloser.
»Haben Sie schon mal einen Menschen mit hohem Fieber gepflegt?«, fragte Lucy, die bleich und sehr besorgt, aber auch unheimlich ruhig war.
»ja, Mrs. Rayne.«
»Wahrscheinlich ist das Fieber am zweiten Tag immer so schlimm, wie?«
»Nicht immer.« Bess wich dem forschenden Blick ihrer Herrin aus. Lucy wusste jetzt, dass es nicht gut um Heath stand.
»Ich … ich werde ihm später etwas Suppe geben, vielleicht eine klare Hühnerbrühe«, meinte Lucy und verdrängte die innere Stimme, die ihr zuraunte, der Arzt habe sich geirrt und Heath sei ernsthaft krank. Nein, nach zwei Tagen würde das Fieber sinken und dann würde es ihm wieder besser gehen.
Doch am nächsten Tag war das Fieber nicht gesunken. Im Gegenteil, der Zustand des Kranken hatte sich verschlimmert. Er war nicht mehr klar bei Bewusstsein und schwebte im Delirium. Von einer Sekunde zur nächsten brach ihm der Schweiß aus allen Poren und kurz darauf wurde er vom Schüttelfrost gepackt, der ihm die Zähne klappern ließ. Unablässig wusch Lucy ihn mit einem feuchten Schwamm, rieb ihn trocken, wechselte die Bettwäsche und flößte ihm Medizin ein. Sie ließ Dr. Evans noch einmal kommen, der Heath diesmal gründlicher untersuchte. Anschließend nahm der Arzt Lucy mit ernster Miene beiseite und sprach leise auf sie ein.
»Wenn das Fieber nicht sinkt, müssen wir ihn in Eis packen. Mit so hohem Fieber ist nicht zu spaßen.«
Eine Gummimatte wurde über die Matratze gebreitet und dann packte man den Kranken in Eis und Schnee.
Lucy saß im abgedunkelten Zimmer am Krankenbett eines Fremden, dessen verwirrter Geist ziellos umherirrte, dessen Lippen Namen formulierten, die sie nie gehört hatte, dessen Stimme wie die eines Wahnsinnigen klang.
Dieser Mann, der im Fieberwahn stammelte, war nicht Heath, ihr goldblonder, verwegener Held. Sie redete auf ihn ein, doch er hörte sie nicht. Sie stellte Fragen und konnte seine Antworten nicht verstehen. Er schien in eine Zeit zurückgekehrt, als er sie noch nicht kannte, und es schmerzte sie, dass er nicht ein einziges Mal ihren Namen nannte.
Damon hatte eine Krankenschwester herübergeschickt, die in Diensten der Redmonds stand, um Lucy bei der Pflege des Kranken zu helfen. Doch Lucy wollte ihn nicht allein lassen. Man musste sie zwingen, gelegentlich einen
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