Fesseln der Sehnsucht
begeistert und überschütteten ihn mit guten Wünschen und Fragen, die er mit ausgebreiteten Armen und seinem breiten, Feixen abwehrte.
»Danke, Leute. Danke. Fragen beantworte ich in meinem Büro. Am besten in alphabetischer Reihenfolge von A bis Z … Vorausgesetzt, ihr beherrscht das Alphabet.«
Damon zog eine dunkle Braue hoch, als Heath an seinem Schreibtisch vorbeikam. »Eigentlich hätte ich eine etwas formellere Begrüßung von dir erwartet.«
Heath blieb stehen und blickte auf ihn herab, sein Lächeln wurde noch breiter. »Hätte ich etwa eine Rede halten sollen?«
»Wohl kaum. Ich bin schon froh, dass du dich endlich aufgerafft hast, deinen trägen Hintern aus dem Bett zu hieven, und du dich endlich wieder daran erinnerst, dass du eine Zeitung herauszugeben hast. Dein Gehalt in den letzten Wochen hast du jedenfalls nicht redlich verdient.«
»Nachdem ich die jämmerliche Ausgabe von gestern gelesen habe und sehen musste, wie du die Geschäfte in meiner Abwesenheit geführt hast, fand ich es höchste Zeit, mich wieder an meinen Schreibtisch zu begeben.«
»Aha. Hast du etwas an der gestrigen Ausgabe auszusetzen? Irgendwelche Verbesserungsvorschläge?, fragte Damon mit solcher Herablassung, dass der gesamte Redmond-Clan auf ihn stolz gewesen wäre.
»Und ob. Unter anderem habe ich vergeblich danach gesucht, auch nur einen Satz über den Erfolg der Cincinnati Red Stockings zu lesen.«
»Ich sehe weiß Gott keinen Grund, auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wenn ein x-beliebiger Ballspielclub ein Spiel gewinnt.«
»Ein Club, der acht Monate auf Tournee geht von New York bis zur Westküste, was ich allerdings im Journal gelesen habe. Der publiziert nämlich eine wöchentliche Kolumne über Baseball.«
»Baseball ist doch völlig nebensächlich.«
»Gütiger Himmel! Baseball ist ein amerikanischer Sport. Ich setze Bartlett daran, einen ganzseitigen Bericht über die Red Stockings zu schreiben.«
»Nächste Woche ist vielleicht Rollschuhlaufen in Mode«, brummte Damon.
»Nichts gegen deine hochgestochenen Ansichten. Aber die Leser interessieren sich für Sport.«
»Wieder eine deiner Theorien, was die Leute gerne lesen. Wenn du schon über Sport berichten willst, sollten wir über Kricket schreiben. Das ist ein Sport für einen Gentleman.«
Heath verzog das Gesicht zur schmerzlichen Grimasse. »Großartig. Der typische Bostoner feine Pinkel. Mich wundert, dass du es geschafft hast, die Zeitung ohne mich herauszubringen.«
»Um ehrlich zu sein, ich habe die Ruhe und den Frieden sehr genossen, als du nicht da warst«, ließ Damon ihn wissen und die beiden maßen einander mit finsteren Blicken, durchaus zufrieden, dass die Dinge endlich wieder ihren gewohnte Gang nahmen. Im Redaktionsraum knisterte es förmlich in neu erwachter Energie. Rayne und Redmond, die beiden waren ein wunderbares Gespann. jeder für sich hätte die Gestaltung der Zeitung zu einem unerwünschten Extrem geführt. Ohne Damons Einfluss hätte Heath sich zu waghalsigen Experimenten hinreißen lassen; ohne Heath hätte Damon ein langweiliges Allerweltsblatt herausgebracht. Gemeinsam aber gestalteten sie eine Zeitung, wie es kein zweite in Boston gab. Modern, mutig und spannend, frisch und lebendig.
Erschöpft nach einem langen Tag und einer hitzige Debatte im Club über Frauenfragen, war Lucy ungewöhnlich schweigsam beim Abendessen und Heath war in Gedanken mit dem Examiner beschäftigt. Nachdem Essen zog Lucy sich in den Salon zurück, um zu lesen, und Heath begab sich in die Bibliothek, um zu arbeiten.
Als die vergoldete Kaminuhr zwölf schlug, legte Heath schließlich den Federhalter beiseite und ordnet die Papiere auf seinem Schreibtisch. Im Vorbeigehen an, der offenen Tür zum Salon erhaschte er einen Blick au, Lucys weinrotes Kleid und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Lucy lag eingerollt auf dem Sofa und war eingeschlafen. Das Magazin war ihr aus der Hand geglitten und zu Boden gefallen. Sie sah so jung und schutzbedürftig aus im Schlaf. Er näherte sich ihr und sein Lächeln schwand.
Es war so lange her, dass er sie im Arm gehalten hatte. Plötzlich begehrte Heath sie so heftig, dass er sie in die Arme reißen wollte. Ihm war klar, dass sie nicht begriff, wieso er in den letzten Wochen Abstand zu ihr gehalten hatte. Sein verdammter Stolz ließ nicht zu, von ihr abhängig zu sein, und die Tatsache, dass sie während seiner Krankheit über jeden seiner wachen Momente bestimmte und er ihr hilflos ausgeliefert
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