Fesseln der Sehnsucht
war, verdross ihn. Um sie nicht zur Zielscheibe seiner schlechten Laune zu machen, hatte er sich von ihr zurückgezogen.
Er beugte sich über sie und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Chignon gelöst hatte. Sie war sehr tapfer gewesen und hatte ihn fürsorglich gepflegt ohne je zu murren. Ihre neu gewonnene Selbstsicherheit gefiel ihm, obwohl viele Männer ihn für verrückt halten würden, sie darin auch noch zu ermuntern. Manchmal fragte er sich freilich, ob er richtig gehandelt hatte, ihr die Pflichten aufzubürden, die er von ihr forderte. War es richtig gewesen, sie aus ihrem behüteten Kleinstadtleben wegzuholen? War sie mit ihm und ihrem neuen Leben wirklich glücklich?
»Lucy, mein Mädchen, ich habe es dir nicht besonders leicht gemacht, wie?«, raunte er.
Sie schlief tief und fest und hörte ihn nicht. Mit einem wehmütigen Lächeln schob er die Arme unter sie und hob sie hoch. Sie lag entspannt und warm in seinen Armen, gab einen kleinen Laut von sich und blinzelte kurz, ehe sie die Augen wieder schloss.
»Schlaf weiter, Cinda, ich bringe dich nach oben.« Lucy bettete den Kopf an seine Schulter, seufzte wohlig und schlief weiter. Heath trug sie ins Schlafzimmer, stellte sie auf die Füße und begann sie auszuziehen, ohne auf ihren gemurmelten Protest zu achten. Sie stand mit gesenktem Kopf vor ihm und rieb sich gähnend die Augen. Diese kindliche Geste weckte beinahe väterliche Gefühle in Heath und dämpfte sein Verlangen nach ihr.
Es blieb ihnen ein ganzes Leben Zeit füreinander. Er konnte noch eine Nacht auf sie warten. Nachdem er ihr das Korsett aufgeschnürt und das schreckliche Folterinstrument auf den Stuhl gelegt hatte, hob er sie hoch, legte sie ins Bett und lächelte zufrieden, als sie unter die Decke kroch und sofort eingeschlummert war.
Während er sich entkleidete, warf er immer wieder einen Blick zu ihr hinüber und schalt sich einen Narren, sie nicht früher in sein Bett geholt zu haben. Nackt schlüpfte er neben sie und zog sie an sich, eine Hand um ihre Mitte gelegt, die andere schob er unter ihr Kopfkissen. Heath seufzte wohlig. Schon aus diesem Grund sollte ein Mann heiraten. jede Nacht seine Frau in den Armen zu halten, ihren vertrauten Duft zu atmen, ihren warmen Körper zu spüren, ihre leichten Atemzüge zu hören, danach war er süchtig geworden. Obwohl er nie etwas davon gehalten hatte, feste Gewohnheiten anzunehmen, hatte er sich bereits eine ganze Reihe davon zugelegt, und alle drehten sich um Lucy.
Er liebte es, wenn sie ihn nach dem Büro an der Haustür begrüßte, und wenn sie es einmal versäumte, war er enttäuscht und beunruhigt. Er liebte die festen Regeln, die sie im Haushalt eingeführt hatte: den Apfelkuchen, den es jeden Sonntag zum Nachtisch gab, die Kerzen, die sie zu jeder Mahlzeit entzündete, ihre stille Art, ihm zuzuhören, wenn er ihr von seinen Sorgen und Nöten im Verlag erzählte. Manchmal schalt er sie scherzhaft, ›etepetete‹ zu sein. Sie achtete sorgsam auf gut e Manieren, wie von einer Tochter Neuenglands nicht anders zu erwarten. Irgendwann würde sie ihm Kinder schenken und er schmunzelte bei dem Gedanken, wie sie den Kleinen beibringen würde, auf ihre Redeweise zu achten, sie ermahnte, bei Tisch gerade zu sitzen und manierlich mit Messer und Gabel zu essen, während er hinter ihrem Rücken seinen Töchtern Geld für bunte Bänder und anderen Firlefanz zustecken und seinen Söhnen beibringen wurde, wie ein echter Südstaatler zu fluchen.
Heath barg das Gesicht in ihrem duftenden, seidigen Haar. Seine süße, spröde Lucy, so praktisch und leidenschaftlich, die immer noch nicht wusste, wie verführerisch sie war und wie sehr er sie brauchte. Seine Hand streichelte sie zärtlich. Sie zu spüren gab ihm Vertrauen und Geborgenheit.
Lucy drehte sich zur anderen Seite und streckte sich wie eine Katze, glücklich und zufrieden. Sie erinnerte sich nur verschwommen, dass sie gestern Abend auf dem Sofa eingeschlafen war und Heath sie nach oben gebracht hatte.
Wenn er nur nicht schon aufgestanden wäre! Nun lag sie wieder im gemeinsamen Bett und erinnerte sich an die Zärtlichkeiten ihres Gatten. Zweifellos würden sie in der kommenden Nacht ihre körperliche Beziehung wieder aufnehmen. Errötend drehte sie sich auf den Bauch, barg das Gesicht in seinem Kissen und stellte sich vor, wie sie übereinander herfallen würden nach der langen Zeit der Enthaltsamkeit. Schamlose Gedanken! Sie atmete den männlichen Duft ein, der
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