Fesseln der Sünde
davon ab, ihre Identität geheim zu halten. Ihr einziger Ausweg war immer noch die Flucht.
Aber das Wissen, einen derart bemerkenswerten Menschen wie Sir Gideon auf ihrer Seite zu haben, ließ sie neuen Mut fassen, der sie beschämenderweise fast verlassen hätte.
Die Blicke von Charis und Gideon trafen sich, wobei in seinem eine unmissverständliche Warnung lag. Er erhob sich und ging hinüber, um aus dem Fenster zu sehen.
Hilflos betrachtete Charis seinen geraden Rücken in der perfekt sitzenden schwarzen Jacke. Er musste nichts sagen. Der letzte Blick aus seinen glänzenden Augen hatte ihr ein lautes Zutritt verboten zugerufen.
Akash drehte ihr Handgelenk in verschiedene Richtungen, was bei Weitem nicht mehr so schmerzhaft war wie am Abend zuvor. Selbst ihre Rippen fühlten sich nicht mehr an, als wäre eine Herde von Elefanten trampelnd darübergelaufen. Plötzlich erinnerte sie sich an die dunkle Pferdebox, in der Gideon sie gefunden hatte. Hätte er ihr nicht bei der Flucht geholfen und Akash ihre Wunden versorgt, wäre sie in der Tat übel dran.
Ihre Instinkte, die darauf beharrten, dass Sir Gideon ihr furchtloser Ritter war, drängten sie, ihm alles zu gestehen und sich seiner Gnade zu unterwerfen.
Nein, er war ein Fremder. Sie konnte die Folgen unüberlegter Vertrauensseligkeit nicht riskieren. Wenn Sir Gideon sie den Gesetzeshütern übergäbe, wie es das Recht verlangte, wäre sie wieder in der Gewalt ihrer Stiefbrüder, sobald diese nach Portsmouth ritten.
Oder noch schlimmer, vielleicht würde ihr Gold Gideon und Akash genauso blenden wie jeden anderen Verehrer vor ihnen. Ihr Herz schrie ihr zu, dass diese Männer gut waren. Die Erfahrung mahnte sie zur Vorsicht. Selbst noch so gute Männer gaben ihre Prinzipien auf, wenn sie von ihrem riesigen Vermögen erfuhren.
So war es für sie um einiges sicherer, sich auf ihre eigenen Ressourcen zu verlassen, egal wie dürftig die auch waren. Einen Anflug von schlechtem Gewissen konnte sie dennoch nicht unterdrücken, da sie die Menschen, die versuchten ihr zu helfen, benutzte und hinterging. Die Erfahrungen mit ihren Brüdern hatten es ihr unmöglich gemacht, sich freiwillig in die Obhut irgendeines Mannes zu begeben. Ihr Herz aber bestand darauf, dass sie einen großen Fehler machte, wenn sie die Hilfe von Sir Gideon ablehnte.
»Danke für alles, was Sie beide für mich getan haben«, sagte sie leise und wusste, dass dies, gemessen an ihren Lügen, schändlich unangemessen war.
»Keine Ursache.« Akash verband ihren Arm und ließ die Schlinge weg.
Sie beugte sich hinunter, um ihren Schal aufzuheben, und taumelte dabei gegen ihren Stuhl. So lange zu stehen stellte ihre Kraft auf die Probe. Gideon auf der anderen Seite des Raumes sagte kein Wort und schaute nur aus dem Fenster hinaus in das Schneetreiben. Sie sagte sich, kein Recht zu haben, sich durch seine Gleichgültigkeit gekränkt zu fühlen.
Das Frühstück wurde serviert und unterbrach ihre verdrießlichen Gedanken. Charis hielt den Kopf gesenkt und verbarg ihr Gesicht in dem Tuch. Sie musste mit ihrer nicht zusammenpassenden Kleidung leben, aber wenn die Dienerschaft ihr Haar und ihr zerschundenes Gesicht sähen, könnten sie sie, sollten ihre Stiefbrüder nach ihr fragen, sofort identifizieren.
Fieberhaft versuchte sie, ihre Flucht zu planen, auch wenn Sir Gideons Nähe ihre Gefühle beharrlich in Aufruhr brachte. Das schlechte Wetter war sowohl Fluch als auch Segen. Sollte ihr die Flucht gelingen, könnte sie sich dadurch einfacher verstecken. Doch war sie für diese Kälte nicht entsprechend gekleidet. Sie fand sich damit ab, den Mantel stehlen zu müssen. Es würde eher eine Leihgabe als ein Diebstahl sein, versicherte sie ihrem widerstrebenden Gewissen. In wenigen Wochen würde sie ihn zurückgeben und Sir Gideon seine Freundlichkeit vergelten.
Einen Sir Gideon Trevithick von Penrhyn in Cornwall ausfindig zu machen würde sicherlich nicht so schwierig werden. Wenn sie erst einmal wieder Kontakt hätten …
Sie bremste ihre törichten Träume.
Zuerst einmal musste sie die kommenden drei Wochen überleben und vermeiden, wieder in die Fänge ihrer Stiefbrüder zu geraten. Sie musste einen Unterschlupf finden, Essen auftreiben und sich irgendwie über Wasser halten, alles ohne ihre Identität preiszugeben. Oder die Identität der mächtigen Männer, die sie suchten. Hubert war Lord Burkett und Felix ein aufstrebender Politiker des Parlamentes.
Gideon, Akash und sie ließen sich zu einem
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