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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Campbell
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richtete sich auf und sagte mit strengem Ton in seiner Stimme: »Miss Watson ist eine Bekannte, die einen Ort zum Bleiben braucht.« Er achtete nicht weiter darauf, wie sie ein entsetztes Keuchen erstickte, als er ihren Namen nannte. »Es darf auf keinen Fall jemand erfahren, dass sie hier ist. Ich lege ihre Sicherheit in Ihre Hände und vertraue auf Ihren gesunden Menschenverstand und Ihre Verschwiegenheit.«
    Vielleicht war es Sarah nicht aufgefallen, doch er hatte sie gerade zu einer Bewohnerin seines privaten Königreiches gemacht. Penrhyn war immer ein Reich für sich gewesen, das denen gegenüber treu ergeben war, die dazu gehörten, und misstrauisch gegenüber denen, die neu hinzukamen. Er wartete, bis eines der Dienstmädchen einen ersten Knicks machte, dann ein weiteres, und die Männer sich zur Bestätigung verbeugten.
    Gideon bedeutete Sarah mit der Hand, die Treppe, die in die tiefe Halle führte, vorauszugehen. Als er ihr aber in das Haus folgte, bemerkte er, wie sich alles in ihm widerstrebte und sein Schritt schwer wurde.
    Das letzte Sonnenlicht schien in staubigen Strahlen durch die hohen, längs unterteilten Fenster. Die sich außen angedeutete Schäbigkeit war innen erschütternd. Spärliches Mobiliar verschandelte den riesigen Raum. Hier und da gab es Anzeichen eiligen Reinemachens, doch die aufwändig geschnitzten Friese und der Stuck waren nicht poliert worden, die Vorhänge staubig, und es brannte kein Feuer. Die Dienerschaft folgte ihnen und reihte sich vor der dunklen Vertäfelung auf.
    »Wir haben zusätzliches Personal eingestellt, als wir hörten, dass Sie kommen, Sir Gideon. Doch ich wollte zuerst Ihre Anweisungen abwarten, bevor ich zu viel mache. Letztes Jahr waren nur ich und Mrs Pollett im Haus.« Für einen Moment schwand Polletts Förmlichkeit. »Es tut mir leid, mein Junge. Das ist keine besonders schöne Heimkehr.«
    Gideon schaute sich in dem abweisenden, schmutzigen Raum um. Die Erinnerungen an seine Kindheit waren kälter als die Winterluft. Sein Vater hatte hier seine Bestrafungen ausgeführt, normalerweise vor den Augen der Dienerschaft. Gideons Weigerung, unter den Peitschenhieben zu weinen, musste dem alten Tyrannen gefallen haben. Trotzdem hatte Sir Barker ewig an seinem Zweitgeborenen herumgemäkelt und ihn einen zimperlichen Schwächling genannt. Und Gideons mürrischer Starrsinn hatte bei seinem Vater nur noch größere Gewalt erzeugt.
    »Sir Gideon?«
    Die sanfte Stimme des Mädchens unterbrach seine schmerzhaften Erinnerungen. Er drehte sich zu ihr um. Sie hatte den Kragen aus ihrem Gesicht zurückgeschlagen, und das Glück wollte, dass sie inmitten eines durch das Fenster fallenden Sonnenstrahls vor ihm stand. Erleuchtet wie ein Engel in einem Heiligenbild.
    Ihre Gesichtszüge waren klar erkennbar. Ein spitzes Kinn, volle Lippen und große Augen, die sich so schnell änderten wie das Wetter in Cornwall. Ihre Hände verschwanden in den schwarzen Falten des Mantels, wahrscheinlich um ihre Unsicherheit zu verbergen, so vermutete er.
    »Sie müssen müde sein.« Er schaute sie prüfend an und bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen, die selbst unter den Blutergüssen sichtbar waren. »Die Reise war anstrengend.«
    Als sich ihre Blicke trafen, hob sie das Kinn und brachte ein flüchtiges Lächeln zustande. Sie war allein, verängstigt und schutzlos, doch sie trotzte ihrem Schicksal. Sie rührte sein Herz bis hin in seine äußersten Ecken, und die Geräusche des Hauses verhallten zu einem gedämpften Gemurmel. Er fühlte sich zu Sarah Watson hingezogen wie noch nie zu einer Frau. Wären die Umstände nicht so eigenartig und tragisch, er würde nichts unversucht lassen, um sie zu werben.
    Doch sie würde besser daran tun, die Beine in die Hand zu nehmen und so weit wie möglich von ihm wegzulaufen. Er war für niemanden und zu nichts nütze, nicht einmal für sich selbst. Und schon gar nicht für eine Ehefrau.
    Diese Erkenntnis aber hinderte ihn nicht daran, sehnsüchtig an jene Freuden zu denken, die andere Männer als selbstverständlich betrachteten.
    Er hatte über Monate hinweg Zeit gehabt, die quälende Zahl der Opfer seiner Jahre in Indien zu zählen. Er hatte geglaubt, den Preis seiner Erfahrungen gekannt zu haben. Doch erst jetzt, als dieses andere Leben, das er hätte führen können, ihm wie eine Fata Morgana zuwinkte, verstand er wirklich, was ihm gestohlen worden war.
    Die grausame Wirklichkeit war, dass Sarah für ihn eine unerfüllte Hoffnung auf all das

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