Fesseln der Sünde
»Als ich hinausging, war ich auf der Suche nach dem Weg zum Strand.«
Sein Mund verzog sich missfallend in die Länge. »Er ist steil und für eine Dame nicht einfach zu begehen. Zumindest ist das meine Erinnerung von vor neun Jahren. Ich vermute, sein Zustand ist jetzt noch schlimmer. Sie bleiben besser hier auf dem Anwesen.«
Lady Charis Weston wäre zur Seite getreten und hätte ihn zu seiner Arbeit zurückkehren lassen, so wie es sein eindeutiger Wunsch war. Sarah Watson jedoch war ein anspruchsvolleres Wesen und sehnte sich danach, noch ein paar Minuten mehr in seiner Gesellschaft verbringen zu dürfen. »Können wir es nicht zumindest versuchen?«
Plötzliches Vergnügen huschte über sein Gesicht, vertrieb die Strenge und ließ ihn Jahre jünger aussehen. »Was sind Sie doch für ein dickköpfiges kleines Ding.«
Noch erstaunlicher war, wie seine schwarzen Augen über ihren Körper fuhren und ihn einer gründlichen männlichen Überprüfung unterzogen. Ihr wurde ganz heiß, und das Herz in ihrer Brust machte eine Berg- und Talfahrt. Ihre Brustwarzen zogen sich mit einem Mal schmerzhaft zusammen, und in ihrer Magengrube fing es an zu brodeln.
Diese gewaltigen, unbekannten Gefühle jagten Charis Angst ein. Es war, als ob ihr Körper, den sie seit zwanzig Jahren kannte, einer Fremden gehörte. Ihre stoßweise Atmung ließ die harten Spitzen ihrer Brustwarzen unaufhörlich gegen ihr Hemd reiben. Diese Reibung war nicht aufzuhalten und machte sie verrückt und rasend.
Sie fuhr zitternd mit einer Hand an ihre Brust, um den Schmerz zu lindern, bemerkte dann aber, was sie tat. Ihr Gesicht glühte noch mehr. Ihr Unbehagen konnte für ihn nicht zu übersehen sein. Sie wünschte sich, der Boden unter ihren Füßen würde sich auftun und sie verschlucken.
Sie senkte den Kopf, um ihre beschämende Reaktion zu verbergen und den glühenden Blickkontakt mit ihm zu unterbrechen. »Na ja, nicht wirklich klein«, murmelte sie, und wandte sich den Blättern einer Kamelie zu, um sie abzureißen.
»Nein, vielleicht nicht.« Sein Lachen war unwirsch und bitter, von Heiterkeit keine Spur mehr. Sie hatte nicht den Mut, seinen Gesichtsausdruck zu prüfen. »Nun gut, zeigen wir Ihnen unseren schönen Strand.«
Sie atmete aufgeregt ein, während Freude und Befangenheit einen stillen Kampf in ihr ausfochten. Da sie ihn nicht mehr anschaute, erlangte sie wieder etwas Kontrolle über sich.
»Das wäre schön«, erwiderte sie fast lautlos.
Während sie sich wie die größte Närrin der Schöpfung vorkam, verstreute sie das abgerissene Laub auf dem Boden und bereitete sich seelisch und moralisch darauf vor, ihn durch ihre Wimpern hindurch anzublicken. Sie hatte erwartet, in seinem Gesicht Ärger, Verachtung oder Empörung zu sehen, doch sein Gesichtsausdruck war wie so oft nicht zu deuten. War es vielleicht doch möglich, dass er nicht bemerkt hatte, wie durcheinander sie war?
Wenigstens war er noch da. Mehr noch, er hatte sogar vor, sie zum Strand zu begleiten. Atemlos wartete sie darauf, dass er ihren Arm nehmen würde, doch er zeigte lediglich mit einer Handbewegung auf den überwucherten Weg und ging hinter ihr her.
Als sie sich ihren Weg durch riesige Rhododendrenbüsche bahnen mussten, ging er voraus. Wie alles andere in Penrhyn, war der Garten fürchterlich vernachlässigt. Charis wusste, es war verrückt, doch sie hatte das Gefühl, das Haus würde förmlich nach ihrer Hilfe schreien und sie bitten, es zu retten und zu einem Heim zu machen.
Was für ein dummes Hirngespinst. Sie war lediglich ein vorübergehender Gast dieses wunderschönen Ortes. Bald schon würde sie ihn wieder verlassen und von Penrhyn und seinem Eigentümer schnell vergessen werden.
Die trübe Erkenntnis legte sich ihr wie ein Stein auf den Magen.
Ihr Gastgeber sah genauso vernachlässigt aus wie das Herrenhaus. Sie betrachtete seine hochgewachsene Figur, während er einen Weg für sie freikämpfte. Er trug Kniehosen und war hemdsärmelig, seine Stiefel waren alt und abgewetzt. Dennoch sah er absolut umwerfend aus. Ihr Herzschlag, der sich wieder beruhigt hatte, fing erneut an zu rasen. Sie stellte sich vor, wie er auf dem Bug eines Schiffes stand. Mit einem goldenen, runden Ohrring in einem Ohr. Einer Machete an seiner Taille. Und einem Messer zwischen den Zähnen.
Er hielt an, um einen stacheligen Brombeerstrauch über ihren Kopf zu halten. »Worüber lächeln Sie?«
Sie hatte nicht bemerkt, dass sie lächelte. »Gab es unter Ihren Vorfahren
Weitere Kostenlose Bücher