Fesseln der Sünde
Tagen als unwilliger Herr von Penrhyn überdeutlich zeigte, war seine tiefe Verbundenheit mit dem Haus. Er war nach Hause gekommen, um zu bleiben.
Er konnte den Ort genauso wenig verlassen, wie er nach Konstantinopel fliegen konnte. Beim Anblick des Hauses hatte ihn eine düstere, unerwünschte Liebe befallen, ein tiefes, inniges Gefühl, das ihm sagte, dass er zu Penrhyn gehörte wie Penrhyn zu ihm. Was in keiner Weise nachvollziehbar war. Im Gegenteil, es war lästig, aber nicht zu leugnen. Er konnte diese vom Wind gepeitschte Ecke des Königreiches nicht der Verantwortung irgendeines Verwalters überlassen. Obwohl nur Gott alleine wusste, warum er diesen Flecken Erde behielt. Er war der letzte Trevithick. Er würde keine Söhne haben, denen er etwas vererben könnte.
Diese traurige Tatsache verfolgte ihn und erklang unter seiner Geschäftigkeit wie ein schwermütiges Klagelied. Auch wenn die Erinnerung an eine zarte Frau ihn verfolgte, so war er doch zu beschäftigt, um über diese Tatsache nachzugrübeln. Zumindest tagsüber. Die Nächte sahen anders aus. Da warf er sich erschöpft in seinem Bett hin und her und lag wach, um dem endlosen Rauschen der Wellen zuzuhören und an Sarah zu denken. Oder noch schlimmer, um in ruhelose Träume zu verfallen, in denen er sie berühren konnte, was im grellen Licht der Realität ihm nie vergönnt sein würde.
Das Verlangen, sie zu berühren, wurde Stunde um Stunde größer. Und der Schmerz zu wissen, dass er es nie tun konnte, zerriss ihn Stunde um Stunde mehr.
Am Morgen des dritten Tages auf Penrhyn schloss sich Gideon in die Bibliothek ein, entschlossen, das Chaos, das seine Vorgänger in den Geschäftsbüchern hinterlassen hatten, in Ordnung zu bringen.
Er arbeitete seit einer Stunde, als er durch die großen Fenster sah, wie Sarah durch die zugewucherten Blumenbeete ging. Das staubige Hauptbuch vor ihm verlor sofort sein ohnehin schon geringes Interesse. Er schaute nach Dorcas oder einem der Männer, die er zum Schutz von Sarah abgestellt hatte. Doch seine Besucherin blieb alleine in dem von Tau feuchten, sonnenbeschienenen Garten.
Einen heimlichen Moment lang starrte er sie an und erfreute sich an ihrer Schönheit.
Die Blutergüsse waren nun kaum mehr zu sehen, und ihr Gesicht hatte seine natürliche Form wieder angenommen. Seit gestern hatte sie den Verband um ihren Arm abgelegt, und sie bewegte sich nicht länger, als ob ihr jeder Schritt wehtat. Zu seiner großen Erleichterung hatte Akash mit seiner Einschätzung, ihre Verletzungen sähen schlimmer aus, als sie es waren, Recht gehabt.
Sarah blieb im Sonnenlicht stehen und wandte ihr Gesicht der blassen Februarsonne zu. Ihre geschwungenen Lippen drückten natürliche Sinnlichkeit aus.
Gideons Herz schlug gegen seine Rippen. Ihm stockte der Atem in der Brust. Sie sah wunderbar aus. Keine der sagenhaften indischen Kurtisanen konnte ihrer einzigartigen englischen Anmut das Wasser reichen.
War er so oberflächlich, dass nur ihr schönes Gesicht ihn dazu brachte, sie zu wollen?
Wäre Wahrheit doch nur so einfach. Er konnte der Verlockung von Schönheit widerstehen, wenn es nur die Schönheit war, die ihn anzog. Doch dieses verwahrloste Mädchen, das er in Winchester gerettet hatte, hatte sich in eine Frau gewandelt, die einen schier endlosen Reiz auf ihn ausübte. Stark. Tapfer. Zärtlich. Süß.
Ah, so süß.
Ein langer Zopf fiel über Sarahs geschmeidigen Rücken. Die auf dem Tisch liegende untätige Hand Gideons bewegte sich, als hätte sie sich in ihrer seidigen bronzenen Mähne verfangen. Er biss die Zähne zusammen und verfluchte sich, ein solcher Narr zu sein. Diese Hirngespinste waren zu nichts Nutze.
In dem Bewusstsein, sich selbst nur sinnlos zu quälen, strichen seine Augen, während sie weiterging, gierig über ihre sanft geschwungenen Hüften und ihre geschmeidige Taille. Wieso trug sie noch immer dieses billige Baumwollkleid aus Portsmouth? Er hatte Mrs Pollett doch gebeten, ihr frische Kleider zu besorgen.
Das würde er später klären. Er beugte den Kopf wieder über seine Arbeit, entschlossen, sich nicht weiter mit unmöglichen Sehnsüchten zu quälen. Dann hob er machtlos den Blick, während Sarah an einem Morgen, der eher nach April als nach Februar anmutete, umherspazierte und hinter einer dichten Kamelienhecke verschwand.
Er ging eine Seite voller Zahlen durch, die seine Augen nicht wahrnahmen. Dann noch eine. Und noch eine.
Das Gelände verlief von dort, wo er saß, in sanften Wellen
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