Fesseln der Sünde
verspürte, mehr innerlich als äußerlich war. »Diese Männer in Portsmouth nannten Sie den Helden von Rangapindhi. Waren Sie Soldat?«
»Nein.« Das Wort schoss aus ihm heraus wie die Kugel aus einem Gewehrlauf. Sein unausgesprochener Schmerz war ein lebendiges, stets kreisendes, greifbares Wesen.
Charis schlang die Arme fester um sich, um sie nicht nach ihm auszustrecken. Eine schmerzende Mischung aus Mitleid und Verlangen schnürte ihr die Kehle zu. Dennoch zwang sie sich dazu, ihre Frage herauszupressen, obwohl sie sicher war, dass er ihre Neugierde missbilligte. »Haben Sie Indien gehasst?«
Seine Achtung gegenüber dem Land war unerschütterlich, und seine Stimme senkte sich vor Emotion. »Nein, ich habe es geliebt.«
Es war die gleiche Antwort, die er ihr bei der Frage nach Penrhyn gegeben hatte. Gideon Trevithick schien ein gespaltenes Verhältnis zur Liebe zu haben. Wieder wunderte sie sich über die Verzweiflung, die wie ein Schatten über ihm lag und an diesem Tag für sie offensichtlicher wurde als je zuvor.
Er seufzte, und seine Schultern sackten nach unten. »Ich wünschte, ich wäre der Mann, der Sie denken, dass ich es bin.« Seine Stimme klang so traurig, dass sie am liebsten geweint hätte. »Aber ich verdiene Ihre Achtung nicht.«
Sie spürte die in seinen Worten mitklingende bittere Scham. Er war von einer beängstigenden Vielschichtigkeit und zog sie an, so wie kein anderer Mann es je zuvor getan hatte. Nach einem langen Moment des Schweigens wagte sie zu fragen: »Werden Sie mir sagen, warum?«
»Nein. Sie müssen meine Albträume nicht kennen.« In seinem Lächeln lag Bitterkeit. Er hob seine behandschuhte Hand. Einen kurzen Moment lang glaubte sie, er wolle ihre Wange berühren. Ihre Augen schlossen sich flatternd, als erwartete sie, von seinem Finger gestreichelt zu werden.
Nichts passierte. Sie öffnete langsam wieder die Augen und sah das schmerzliche Bedauern in seinem Gesicht. Seine Hand sank zur Seite. »So glauben Sie mir doch, ich bin kein Held.«
Sie schluckte, und ihre Stimme zitterte, als sie sprach. »Für mich schon.«
Das Bedauern verschwand aus seinem Gesicht. Übrig blieben Verständnis und ein Mitleid, das sie wie ein Messerstich traf. »Miss Watson …«
Mit einer abwehrenden Geste brachte sie ihn zum Schweigen. Sie wollte keine tröstenden Plattitüden hören. Sie konnte durch das Mitleid in seinen Augen schließen, dass er ihr ungeziemendes Verlangen nach ihm erahnte. Wie könnte er auch nicht? Das Gefühl war zu gewaltig, um es zu verbergen, und er war ein scharfsinniger Mann.
Sie wurde rot vor Scham und sprach schnell, bevor er es konnte. »Wollten … wollten wir nicht hinunter zum Strand gehen?«
Er richtete sich auf und kniff den Mund zusammen. Doch er kommentierte ihren plötzlichen Themenwechsel nicht, wofür sie dankbar war. »Der Weg ist genau hier.«
Er ging an ihr vorbei, und sie bemerkte, wie steil der Pfad nach unten führte. Nachdem sie ein paar Schritte hinter ihm gegangen war, sah sie eine schmale, sich hinunterschlängelnde Spur.
Charis schaute auf eine Reihe zerklüfteter Felsformationen hinunter, und ihr Magen drehte sich um. Entschlossen hob sie den Kopf und blickte auf Gideons Rücken, der in einem locker sitzenden weißen Hemd steckte. Er begann, das raue, gefährliche Gelände hinunterzugehen, und bewegte sich dabei mit einer ungemeinen Leichtfüßigkeit. Sich einen schlaksigen, ernsthaften Jungen mit dunklen Augen vorzustellen, der in diesen Klippen vor einem schwierigen Leben zu Hause Zuflucht suchte, war einfach.
Charis ging vorsichtig hinter ihm her, von seinem Schweigen in keiner Weise überrascht. Da er nun erahnte, wie vernarrt sie in ihn war, fragte er sich wohl, was er sagen könnte. Dem giftigen Gebräu von Unglück und Verlangen, das in ihr brodelte, gesellte sich nun auch noch der bittere Geschmack von Demütigung hinzu.
Auf dem anfänglich sanft abfallenden Weg zu gehen war zunächst einfach, und er war in überraschend gutem Zustand. Doch bald wurde der Pfad schmaler und steiler. Sie stützte sich mit einer Hand am Fels ab, während der Weg immer abschüssiger wurde.
Ihre Augen verweilten einen fatalen Moment zu lange auf dem hochgewachsenen Mann vor ihr. Jede noch so kleine Erkenntnis, die sie über ihn gewann, machte ihre Neugierde nur noch größer.
Der Weg fiel ab. Sie rutschte mit ihrem Fuß über einen losen Stein. Hektisch griff sie nach der Felswand, doch es war zwecklos, ihre Finger glitten auf der kalten,
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