Fesseln der Sünde
zum Haus. Eines der Dienstmädchen hat sicherlich etwas für Sie zum Anziehen.«
Sie warf ihm einen eigenartigen Blick zu. Er hoffte inständig, sie habe über Kleidung gesprochen. »Wie Sie wünschen.«
Er runzelte die Stirn. Sie hörte sich enttäuscht an. »Sind Sie sicher, dass Sie nicht verletzt sind?«
Ihre ruhelose Hand verhedderte sich in ihren Röcken, und sie schaute weg. »Natürlich fühle ich mich etwas angeschlagen. Aber ich bin nicht ernsthaft verletzt. Danke der Nachfrage.«
»Miss Watson, es gibt keinen Grund, immer wieder das alte Lied ihrer vollkommen unnötigen Dankbarkeit anzustimmen«, sagte er gepresst.
Er wurde rot, als er bemerkte, dass er sie anfuhr wie ein ungehaltener Feldwebel seinen Rekruten. Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu, der ihm durch und durch ging. Er musste weg von hier. Schnell. Doch seine Füße waren mit diesem Pfad verschweißt.
»Ich finde nicht, dass das unnötig ist.« Ihr Ton war sanft, aber bestimmt.
»Sarah …« Er wusste im selben Moment, als ihm das Wort über die Lippen geglitten war, dass es ein Fehler war, sie beim Vornamen zu nennen. Er musste weitere Nähe unterbinden und nicht noch zusätzlich fördern.
»Ich werde das Wort Dankbarkeit nicht mehr in den Mund nehmen.« Sie hörte sich immer noch bedrückt an.
»Sollen wir gehen?« Er deutete ihr mit der Hand an, an ihm vorbeizugehen, doch sie zögerte.
»Sarah?« Verflucht, er hatte schon wieder ihren Namen gesagt. Jede Sekunde in ihrer Gegenwart machte seine Qualen nur noch schlimmer. Wenn er nicht bald auf Distanz zu ihr ginge, würde er sie an sich reißen. Und dann würde das Zittern wieder beginnen und die Übelkeit und die Beschämung.
»Können wir nicht hinunter zum Strand gehen? Nur für eine Minute?« Sie hörte sich wehmütig an, wie ein Kind, dem eine besondere Freude verwehrt wurde. »Ich lebe schon so lange eingesperrt. Ich würde die See zu gerne sehen. Ich war dem Meer noch nie so nahe.«
Er versuchte verzweifelt, die Bitte in ihren haselnussbraunen Augen zu ignorieren. Er ballte die Hände zu Fäusten und bemühte sich, mit ruhigem Ton zu sagen: »Sie müssen sich ausruhen.«
Ihre Lippen - der Teufel höchstpersönlich musste diese feuchten, roten Lippen geschaffen haben - verzogen sich zu einem Schmollmund. »Ich werde ganz vorsichtig den Pfad hinuntergehen. Ich bin nicht so zerbrechlich, wie Sie denken. Ich habe mich erschrocken, aber mir geht es bestens. Mit was für Mädchen hatten sie bisher zu tun?«
»Ich hatte überhaupt nicht mit vielen Mädchen zu tun«, erwiderte er, bevor ihm einfiel, dass der Austausch von Vertraulichkeiten mit seiner wunderschönen Peinigerin ganz und gar nicht dazu beitragen würde, ihn aus seiner Zwangslage zu befreien.
Sie sah von Sekunde zu Sekunde wieder mehr wie sie selbst aus. »Sie überraschen mich.«
Verflucht sei sie, warum verspürte er nur das Bedürfnis, ihr alles zu erklären? »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Penrhyn eine reine Männerdomäne war.«
Abgesehen von den schlampigen Mätressen seines Vaters, die gelegentlich bei ihnen logiert hatten. Der Geschmack seines Vaters hatte sich hin zum Vulgären, Offensichtlichen verändert. Keine dieser Frauen war im Entferntesten an einem lernbegierigen Bürschchen interessiert, worüber Gideon von ganzem Herzen dankbar gewesen war.
»Sicherlich haben Sie, als Sie das Haus verließen …«
»Ich ging mit sechzehn nach Cambridge und habe mich voll und ganz auf mein Studium konzentriert.«
Während sie nachdenklich ihre Stirn runzelte, umfassten ihre Hände ihre Taille, was ihn erleichtert schließen ließ, dass er ihr Handgelenk nicht ernsthaft verletzt hatte. »Die Männer mit Universitätsabschluss, die ich kenne, haben ihre Ausbildungszeit trinkend und feiernd verbracht.«
Er lächelte grimmig. »Ich vermute, die Männer, die Ihnen den Hof gemacht haben, waren nicht zweitgeborene Söhne ohne jegliche Perspektive. Ich war um einiges jünger, ganz abgesehen davon auch um einiges ärmer als die meisten meiner Mitstudenten.«
Wäre er ein anderer Mann mit einem anderen Leben, hätte er ihr gewiss auch den Hof gemacht. Er richtete sich auf, als wehrte er sich körperlich gegen die verbotene Vorstellung. Durch den Wind klebte eine einzelne Strähne ihres Haares auf ihren vollen Lippen. Wieder nahm er sie schlagartig mit all seinen Sinnen wahr. Er schloss die Augen und sagte sich, sie auf keinen Fall küssen zu dürfen.
Er holte tief Luft und kämpfte um seine Beherrschung. Als er
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