Fesseln der Sünde
sich wieder gefangen hatte, schritt er an ihr vorbei, um ihr auf dem Weg hinunter zu den Klippen voranzugehen, sollten sie noch auf weitere unsichere Stellen stoßen. Gegen seinen Instinkt führte er Sarah hinunter zum Strand. Er wusste, wann er sich geschlagen geben musste. »Passen Sie auf, wo Sie hintreten. Es ist steil, und Sie haben heute schon mindestens drei ihrer neun Leben verbraucht.«
»Danke«, sagte sie sanft zu seinem Rücken. »Ich weiß, ich bin eine Plage.«
Sie hatte allerdings überhaupt keine Ahnung, was für eine Plage sie war. Und hoffentlich würde sie das auch nie herausfinden. Getrieben von der Sehnsucht, sie in seinen Armen zu halten, spannte sich seine Haut, und sein Herz begann zu rasen, so wie es gerast hatte, als sie dem Abgrund entgegengetaumelt war. Nur dass es diesmal eher Lust als Schrecken war, was er verspürte.
Die Erinnerung an ihren Sturz ließ seinen Schritt langsamer werden. Seine Hand brannte darauf, für den Fall, sie könnte stolpern, nach ihrer zu greifen. Ein ganz natürlicher Wunsch, doch für ihn vollkommen außerhalb seiner Möglichkeiten. Er konnte nicht noch einmal einen seiner Anfälle riskieren. Er verfluchte sich selbst und sein Leiden.
Auf dem Weg nach unten schaute er sich häufig um, um nach ihr zu sehen. Ihr Beinaheunglück hatte sie offenbar davon überzeugt, besser auf den Weg zu achten, und sie beschritt ihn sichtbar konzentriert. Gott sei Dank. Zumindest konnte sie ihm keine Fragen stellen. Am Fuß der Klippe angekommen, sprang er vom Felsen auf den Strand. Er landete hart auf dem festen Sand, drehte sich um und sah, wie Sarah vorsichtig von Felsblock zu Felsblock kletterte.
In ihm stieg Schuld hoch, als er sich daran erinnerte, wie er sie gegen die Felswand gestoßen hatte. Trotz all ihrer tapferen Worte erkannte er an ihren steifen Bewegungen, dass sie Beschwerden hatte. Er unterdrückte das Verlangen, zum Haus zurückzukehren. Nach seinen Erfahrungen in Rangapindhi verstand er ihr Bedürfnis nach Freiheit besser als die meisten anderen.
Sie kam zu ihm hinüber und stellte sich direkt hinter der Hochwassermarke neben ihn. Die Blutergüsse in ihrem Gesicht waren nur noch als Schatten erkennbar. In dem hellen klaren Licht erstrahlte ihre prächtige, herzzerreißende Schönheit. Er fühlte sich durch sie so lebendig, wie er es nie zu träumen gewagt hätte.
Die aufkommende Brise spielte mit ihrem Haar, das dadurch um ihr Gesicht herumflatterte, als sie sich zu ihm umdrehte. »Sie sind also nach Indien gegangen, um Ihr Glück zu machen?«
Noch mehr verfluchte Fragen. Er wünschte sich, er könnte sich ein Herz fassen und ihr sagen, sie sollte sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Doch er konnte dem ehrlichen Interesse in ihrem Blick nicht widerstehen.
Seine Stimme klang gestelzt, als er ihr antwortete. Er war es nicht gewohnt, über sich selbst zu sprechen. Und jedes Mal, wenn sie ihm eine Vertraulichkeit entlockte, war es ein Eingeständnis, dass sie keine nur zufällig einander über den Weg gelaufenen Fremden waren. »Es ergab sich eine Möglichkeit.«
Gideon begann, über den groben, gelben Sand zu spazieren, und sie ging gleichen Schrittes neben ihm her. Sie legte ihre Hände flach auf ihre Röcke, um den Wind davon abzuhalten, sie hochzuheben, doch er konnte dennoch einen atemberaubenden Blick auf ihre schlanken Fesseln und wohlgeformten Waden erhaschen. Er schloss kurz die Augen und betete um Stärke.
Der Anblick würde ihn noch umbringen.
»Mit der Ostindien-Kompanie?«
Er besann sich wieder auf die Unterhaltung und versuchte, nicht weiter daran zu denken, wie hübsch Sarah war. Er zwang sich, weiterzuerzählen, auch um sich von ihren blass aufleuchtenden Strümpfen abzulenken.
»Mein Talent für Sprachen zog die Aufmerksamkeit mächtiger Leute auf sich.« Er sprach ohne Eitelkeit. Er verfügte über die außergewöhnliche Fähigkeit, sich leicht fremde Sprachen aneignen zu können. Ein sonderbarer Tick, doch zeigte er, wie sein Verstand arbeitete. »Sie dachten, ich könnte von Nutzen sein.«
»Als Handelsbeauftragter?« Sie beugte sich vor, um eine Muschelschale aufzuheben. Durch die Bewegung hob sich ihr Kleid hinten ein wenig an. Er blieb stehen, um sie zu betrachten und wünschte sich dann, es nicht getan zu haben. Seine Hände zuckten kurz, während er das Verlangen bekämpfte, ihre Röcke für einen genussvolleren Zweck hochzuwerfen.
Doch zu seinem Bedauern würde es für ihn ein solches Vergnügen nie geben.
»Eher
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