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Fesseln der Unvergaenglichkeit

Fesseln der Unvergaenglichkeit

Titel: Fesseln der Unvergaenglichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Kolb
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roten Backsteingebäudes und blieb stehen. Sie hatte davon gehört, dass sich viele Künstlerateliers in Brooklyn befanden. Vor ihnen lag ein hoher, lichtdurchfluteter Raum. Im hinteren Teil standen große Staffeleien. Halb bemalte Leinwände lehnten an der Wand. Aiyana blickte durch das Loft. Es sah aus, als ob mehrere Künstler hier arbeiteten. An einer Wand hingen Bilder, die Aiyana auf den ersten Blick gefangen nahmen und sie in eine unbekannte Welt entführten. Filigrane Linien verbanden sich zu wunderschönen Formen. Feine Schattierungen vermittelten den Eindruck einer undeutlichen Landschaft, in der Lichtspiele flimmerten, die sich spiralförmig ineinander verdrehten.
    Ein Mann stand am anderen Ende des Lofts und unterhielt sich mit einer blonden Frau. Sie kamen auf sie zu. Der Mann bewegte sich schleichend wie ein Panther. Aiyana starrte ihn an. Er erinnerte sie an Leonardo.
    »Darf ich dir Raven vorstellen?« Moira küsste den Mann und begrüßte die blonde Frau zurückhaltend.
    Aiyana lächelte Raven zu. Sie verstand, was Moira gemeint hatte. Die dunklen Augen, die sie musterten, passten zu den schwarzen Locken, die in das wunderschöne Gesicht fielen. Die alte Jeans und das braune T-Shirt umschmeichelten seinen muskulösen Körper.
    »Ich wollte dich schon lange kennenlernen, da Moira plant, eine gemeinsame Sendung über uns zu machen.«
    Aiyana schrak zurück, als Raven ihr seine Hand reichte. Sie hatte das Gefühl, als berührte sie kühlen Nebel. Seine Haut schien durchlässig, obwohl sich ihre Finger berührten.
    »Darf ich dir Helena vorstellen.« Aiyana schluckte, sah die blonde Frau bewundernd an. Die langen Haare fielen seidenweich, in feinen Locken, über den Rücken. Ihr weißes, fast durchsichtiges Gesicht bekam durch die breiten, schön geschwungenen Lippen etwas Animalisches. Aiyana konnte ihren Blick nicht sofort abwenden, musste sich in den unvergleichlichen Zügen verlieren, um sie begreifen zu können. Sie bedauerte Moira. Helena verkörperte eine unschlagbare Konkurrentin.
    »Seid ihr mit der Subway gekommen?« Ravens heisere Stimme passte zu seinem Äußeren.
    »Ja, das ist Leonardo Visconti. Er hat mich begleitet, er möchte deine Bilder kennenlernen.« Raven musterte Leonardo mit einem erschrockenen Blick, wich einen Schritt zurück.
    Leonardo sah Raven kurz an. Er schien seine Reaktion nicht bemerkt zu haben. Sein Interesse galt nur der blonden Frau, die vor ihm stand. »Hallo Helena, schön dich wieder einmal zu sehen. Es ist lange her.«
    Raven kam einen Schritt vor und sah aus, als wollte er seinen Arm besitzergreifend um Helena legen. Unterließ es aber. »Helena ist meine Schülerin und erstaunt mich jeden Tag mit neuen Ideen«, sagte Raven stattdessen.
    Aiyana konnte den Blick nicht deuten, mit dem Raven Leonardo ansah.
    »Es ist mein größter Wunsch, Malerin zu werden.« Helena fixierte Leonardo so, als ob ihre Worte nur ihm gelten würden. Aiyanas Herz zog sich zusammen. Leonardo kannte Helena. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Helenas Schönheit Leonardo nicht betörte.
    Moira stand vor einer Gruppe von Bildern, die zusammen eine Einheit bildeten. »Diese Werke habe ich das letzte Mal nicht gesehen.«
    Raven grinste. »Sie sind auch neu.«
    Moira schüttelte den Kopf. »Ich bin erst letzte Woche hier gewesen. Wie kannst du diese fantastischen Bilder in so kurzer Zeit gemalt haben?« Sie trat näher an die Gemälde heran und prüfte sie argwöhnisch. »Beschäftigst du noch andere Künstler hier?«
    »Ich habe fast nicht geschlafen und sie alle in kürzester Zeit fertiggestellt.«
    Aiyana sah, wie Leonardo Raven grimmig musterte. Sie ahnte, dass er das Gleiche dachte wie sie. Niemand konnte diese Werke in einer Woche malen, außer er besaß Kräfte, die jedes menschliche Maß überschritten. Ein Schauder kroch über ihren Rücken. Sie erinnerte sich an seine neblige Hand und eine Ahnung ergriff sie. Je länger sie das makellose Gesicht ansah, umso mehr glaubte sie zu wissen, dass ihre Gefühle sie nicht täuschten. Die Worte ihrer Großmutter kamen ihr in den Sinn. Wenn du ein Wesen triffst, spürst du es. Aiyana konzentrierte sich mit ihrer ganzen Kraft auf Raven. Sein Körper strahlte keine Gefühle aus, obwohl er in ihrer Nähe stand. Eine Gänsehaut kroch ihr über den Rücken. Sie verstand auf einmal, was Tsula ihr auf ihre Art und Weise versucht hatte, zu erklären. Ein Wesen besaß keine Substanz. Obwohl Raven vor ihr stand, hatte sie das Gefühl, er existierte

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