Fesseln des Herzens
Leben des Mannes zu fordern, der seines nehmen wollte.«
Aimee hätte darauf erwidern können, dass er es nicht anders verdient hatte, wahrscheinlich war der Attentäter aber auch nur ein armer Teufel, der die Befehle seines Herrn befolgte und glaubte, damit das Richtige zu tun.
»Wir sollten diese Botschaft dem Baron überbringen, er liegt noch immer wach und weigert sich, erneut einzuschlafen. Er meint, für heute hätte er sich genug ausgeruht.«
Ein breites Lächeln trat auf St. James’ Gesicht. »Ja, das klingt wirklich nach ihm. Also dann, gehen wir nach oben.«
Der Geruch einer Kräutermischung erfüllte die Luft des Turmzimmers, von draußen erklang der letzte Gesang einer Amsel.
Ravencroft lag noch immer auf den Strohsäcken, aber er sah schon ein wenig wohler aus. Die dunklen Schatten unter seinen Augen waren weiterhin da, auch die Sorgenfalte zwischen seinen Augen war nach wie vor tief, dennoch war deutlich zu erkennen, dass sich die Sense des Todes von ihm zurückgezogen hatte.
»Saint James«, sagte der Baron, als der Soldat vor ihm Haltung annahm. »Was suchst du hier?«
»Ich bringe Nachrichten aus der Burg, Mylord. Der Attentäter ist gefasst.«
Der Baron schloss kurz die Augen und nickte. »Ich werde mich darüber freuen, sobald meine Schulter nicht mehr so höllisch schmerzt. Habt ihr herausgefunden, wer der Mann ist?«
»Noch nicht, aber wir gehen davon aus, dass er zu Woodwards Leuten gehört. Er leugnete jedenfalls nicht, ihm zu dienen.«
Der Verwundete lachte kurz auf und verzog dann schmerzvoll das Gesicht. »Wer sonst sollte es auf mich abgesehen haben?«
»Wahrscheinlich ist ihm das ebenfalls bewusst. Was soll nun mit ihm geschehen?«
»Fellows hat ihn in den Turm sperren lassen, nehme ich an.«
St. James nickte. »Ja, Mylord, auf Anweisung Eurer Gemahlin. Er soll dort verbleiben, bis Ihr wieder auf den Beinen seid.«
»Dann darf ich wohl nicht mehr lange auf mich warten lassen, oder?«
Ravencroft blickt zu Aimee, die den Kopf schüttelte.
»Mit Verlaub, Mylord, aber Ihr werdet noch genug Gelegenheit haben, den Übeltäter abzustrafen. Jetzt solltet Ihr Euch erst einmal darauf konzentrieren, dass Ihr gesund werdet.«
»Du hast es gehört, Saint James!«, sagte er daraufhin und ließ sich noch ein Stück tiefer ins Stroh sinken. »Ich glaube, es wäre klug, sich seiner Retterin zu unterwerfen.«
Damit schloss er die Augen, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Aimees Wangen brannten, und damit der Soldat ihr die Verlegenheit nicht allzu sehr ansehen konnte, wandte sie sich der Feuerstelle zu.
»Ihr müsst hungrig sein, Nicolas. Ich habe Euch ein wenig Grütze aufgehoben.« Sie füllte etwas Brei aus dem Topf in eine Holzschale, würzte sie mit einigen Kräutern und setzte sie dem Mann vor.
Während des Essens blickte St. James immer wieder zu Aimee hinüber. Auch mit ihr hatte sich eine Wandlung vollzogen. Die Erschöpfung war von ihr gewichen. Jetzt wirkte sie wieder kraftvoll, und sie schien noch schöner geworden zu sein.
»Legt Euch ruhig schlafen, Nicolas«, sagte die Schäferin schließlich, als er seine Mahlzeit beendet hatte. »Ich werde die Wache übernehmen.«
»Schon wieder?«, wunderte sich der Soldat. »Du hast doch bereits all die anderen Tage gewacht. Auch du solltest dir ein wenig Ruhe gönnen.«
Aimee schüttelte den Kopf. »Macht Euch keine Sorgen um mich. Ich werde in der Nacht ebenfalls schlafen. Ich bin sicher, dass sich der Zustand des Barons nun nicht mehr verschlechtert.« Damit ließ sie sich auf dem Schemel neben Ravencrofts Schlafstätte nieder.
Noch vor Mitternacht verließ Henry die Burg in Richtung Woodward. Nicole hatte gegenüber den anderen vorgegeben, dass er ein Geschenk für den Baron überbringen sollte.
Tatsächlich befestigte er ein Bündel an seinem Sattel, in dem sich Brot, Schinken und andere Köstlichkeiten aus der Küche befanden. Aber diese Ration war eher der Tatsache geschuldet, dass Henry länger fortbleiben musste.
»Ich werde versuchen, gleich zu Euch zurückzukehren, doch wenn nicht, wisset, dass ich Euch nicht im Stich lasse.«
Mit diesen Worten verabschiedete er sich von seiner Geliebten. Gern hätte er sie noch einmal in die Arme gezogen, aber das durften sie nicht.
Wie beim letzten Mal ritt Henry gen Westen, ohne das Pferd zu schonen. Der Wald erhob sich zu beiden Seiten wie drohende Wächter, einige Äste peitschten ihn, und zuweilen, wenn der Mond hinter einer Wolke verschwand, fürchtete er, vom
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