Fesseln des Herzens
bemerkte, dass es ihm nicht gelingen wollte, ergriff sie seine Finger und hielt sie fest.
Sein schwarzes Haar klebte feucht an seinem Kopf, saurer Schweißgeruch stieg von ihm auf, doch das alles bemerkte sie nicht.
Er lebte!
Das Fieber war zwar noch nicht vollends verschwunden, aber Aimee war sicher, dass Ravencroft außer Gefahr war.
»Wie geht es Euch, Mylord?«, flüsterte sie, als sie ihre Hand wieder zurückzog.
»Schrecklich«, antwortete er und versuchte zu lächeln. Seine Lippen waren vom Fieber aufgesprungen, und eine kleine Blutspur klebte an seinem Mundwinkel.
Aimee griff nach einem Lappen und wischte ihm übers Gesicht.
»Was ist geschehen?«, fragte er, nachdem er das Wasser von seinen Lippen geleckt hatte.
»Ihr hattet Fieber, Mylord«, sagte sie. »Ihr wurdet von einem Bolzen getroffen, bei der Jagd.«
Der Baron nickte, aber er war zu schwach, um etwas zu entgegnen. Er schloss die Augen wieder, doch als Aimee sich entfernen wollte, hielt er sie unvermutet fest.
»Bleib«, flüsterte er.
Während sie sich fügte, sah sie zu Nicolas St. James auf und bemerkte, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
Wenig später machte sich der Soldat auf den Weg zur Burg. Aimee rechnete nicht damit, dass sich Ravencrofts Zustand wesentlich verschlechtern würde, also hatte sie St. James erlaubt, die Baronin davon in Kenntnis zu setzen.
Allerdings bezweifelte sie, dass Nicole of Ravencroft dar-über sonderlich erfreut war. Alles, was sie zu ihr gesagt hatte, sprach dafür, dass sie sich freuen würde, wenn Gott ihren Gemahl zu sich nahm.
Sollte sie diesen Wunsch wirklich gehegt haben, so würde sie jetzt eine große Enttäuschung erleben. Eine Enttäuschung, für die Aimee kein Verständnis aufbringen konnte, trotz allem, was die Baronin hatte erleiden müssen.
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17 . Kapitel
N icole stand vor dem Fenster ihres Gemachs, umweht von den langen, luftigen Vorhängen, und blickte in die Ferne. Ihr Haar war fest zu einem Knoten zusammengebunden und mit einem dunklen Schleier geschmückt. Nur ein paar rebellische Haarsträhnen lösten sich hin und wieder aus ihrer Frisur. Allerdings machte sie keine Anstalten, sie zurückzuschieben.
Seit beinahe einer Woche spielte sie nun schon die besorgte Gattin, dabei wartete sie im Stillen nur darauf, dass ein Bote erschien, der ihr vom Tod des Barons berichtete.
Der Burg vorzustehen und nach Belieben schalten und walten zu können gefiel ihr. Mit Hilfe des Verwalters regelte sie Streitigkeiten und sorgte dafür, dass das Leben in der Baronie weiterging. Jetzt, da sie nicht mehr Gefahr lief, von ihrem Gemahl erwischt zu werden, traf sie sich immer häufiger mit Henry. Die beiden liebten sich im Stall oder unter der Eiche, bei der sie sich zuerst getroffen hatten.
Aber mit jedem Tag, der ohne eine Todesnachricht verging, wurde sie unsicherer. Was, wenn Ravencroft doch überlebt?, war die bange Frage, die sie marterte. Sie könnte erneut versuchen, ihn zu töten, doch von nun an würde er größere Vorsicht walten lassen.
Hastige Schritte hinter ihr ließen sie herumfahren. Da trat auch schon Henry durch die Tür.
»Alles in Ordnung, Mylady?«, fragte er förmlich, denn in der Nähe waren Wachposten stationiert.
»Ja, mir geht es gut«, entgegnete Nicole und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Bringst du Neuigkeiten?«
Fellows überkam wieder einmal das schmerzhafte Verlangen, seine Herrin zu küssen, und ihr schien es genauso zu ergehen. Nachdem er die Tür hinter sich zugestoßen hatte, flogen sie sich entgegen und schlossen einander in die Arme.
Ihre Lippen trafen sich zu einem leidenschaftlichen Kuss, und als sie sich wieder voneinander lösten, fragte sie: »O Henry, wann wird das endlich ein Ende haben? Warum zum Teufel stirbt er nicht?«
Fellows zog eine besorgte Miene. In den vergangenen Tagen hatte er einsehen müssen, dass er Aimee unterschätzt hatte.
»Du weißt, dass die Schäferin über eine große Kunstfertigkeit verfügt, was das Heilen angeht. Du selbst wärst auch nicht mehr am Leben, wenn dem nicht so wäre.«
»Wobei ich ein Kind aus mir herauspressen musste und ihn bloß ein Bolzen getroffen hat«, entgegnete sie spöttisch.
»Das eine schließt das andere nicht aus. Wenn mich der Schein nicht trügt, entwickelt die Hebamme langsam Gefühle für den Baron.«
Nicoles Augen weiteten sich. Sie hatte Aimee zwar geraten, sein Lager zu teilen, aber es war nie die Rede davon, dass sie sich in den Baron verlieben sollte. Sie wusste
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