Fesseln des Herzens
selbst, dass die Liebe so manche Dinge ändern konnte. Vielleicht würde die Schäferin sogar danach streben, eines Tages ihren Platz einzunehmen.
Doch dann beruhigte sie sich damit, dass ihr Gemahl noch immer schwer verletzt war.
»Ich will damit bloß sagen, dass eine Frau, die liebt, durchaus einen Teil ihrer Kraft auf den Geliebten übertragen kann. Vielleicht ist es allein ihre Stärke, die ihn noch im Diesseits hält.«
»Dann wäre es wohl besser, wenn wir sie ebenfalls töten würden«, entgegnete Nicole ungehalten.
Fellows schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unklug. Du verdankst ihr dein Leben, vergiss das nicht. Und vielleicht entschließt du dich ja eines Tages …«
Henry stockte. Konnte er so etwas von der Baronin verlangen? Nach allem, was sie durchgemacht hatte?
»Ich brauche sie in der Tat, um mir den Trank zuzubereiten, der mich vor einer Empfängnis schützt«, sagte Nicole kühl, denn sie hatte bemerkt, worauf er hinauswollte.
Noch einmal würde sie ganz sicher kein Kind aus ihrem Schoß herauspressen!
Henry konnte seine Enttäuschung nicht verhehlen. Aber er hoffte sehr, dass sie sich, wenn ein wenig Zeit verstrichen war, anders besinnen möge.
Bevor er noch etwas sagen konnte, vernahmen sie einen Tumult auf dem Innenhof der Burg.
War der Bote eingetroffen?
Nicole löste sich aus Henrys Umarmung und lief zurück zum Fenster. Tatsächlich waren mehrere Reiter angekommen. Allerdings sahen die Männer eher aus wie der Suchtrupp, den Fellows losgeschickt hatte, um den Attentäter zu stellen.
Es dauerte nicht lange, bis einige Soldaten durch die Tür stürmten. Henry hatte sie losgeschickt, in der Hoffnung, dass sie den Mann nicht finden würden. Doch nun schleppten sie einen Fremden herein.
Er blutete aus einer Kopfwunde, und seine Kleider wirkten, als hätte ein Pferd sie den ganzen Tag über durch den Dreck geschleift.
Sie warfen den Fremden der Baronin vor die Füße, wo er aufstöhnte und eine Mischung aus Staub und Blut ausspuckte.
»Das ist der Kerl, Hauptmann!«, berichtete der Anführer des Suchtrupps stolz. »Vier Tage lang waren meine Männer auf der Suche. Wir haben ihn geschnappt, als er nach Woodward verschwinden wollte. Er hatte sich im Unterholz versteckt, aber wir haben ihn da rausgezerrt.«
Henry war einen Moment lang sprachlos. Was sollte er sagen? Er durfte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Immerhin waren seine Männer Ravencroft treu ergeben, und es gab gewiss einige unter ihnen, die mit Freuden seinen Posten einnehmen würden.
»Gut gemacht, Peter!«, sagte er daher nur und wandte sich dann an die Baronin. »Was befehlt Ihr, Mylady?«
Aus Nicoles Gesicht war auf einmal sämtliches Blut gewichen. Schließlich sagte sie zögernd: »Wirf ihn in den Turm und sperr ihn ein. Sobald mein Gemahl gesund ist, wird er Gericht über ihn halten.«
Die Soldaten verneigten sich und ergriffen den Mann wieder.
Für einen kurzen Moment meinte sie, ein Lächeln auf seinen schmutzigen Zügen zu erkennen, und dieser Anblick erschreckte sie zutiefst.
»Was nun?«, flüsterte Nicole panisch, nachdem die Soldaten mit ihrem Gefangenen verschwunden waren. »Was ist, wenn er etwas weiß?«
Henry hatte zunächst keine Ahnung, was er darauf antworten sollte. Ihn beschäftigte viel eher die Frage, warum seine Leute den Attentäter überhaupt hatten fassen können.
»Was soll er schon wissen?«, entgegnete er kühl. »Woodward wird ihn wohl kaum über alles unterrichtet haben.«
Seine Worte riefen einen schrecklichen Verdacht in Nicole hervor. Was, wenn Woodward ein doppeltes Spiel treibt?, fragte sie sich. Wenn er versucht, die ganze Schuld auf mich abzuwälzen.
Eine furchtbare Angst überkam sie plötzlich und ließ sie schwanken.
Henry stützte sie sogleich. »Was ist dir?«
»Ich dachte gerade daran, ob es sein könnte, dass Woodward versucht, uns zu hintergehen.«
»Warum sollte er das tun?«
»Um mich um die Baronie zu bringen! Um sein Versprechen zu brechen!«
»Was sollte er davon haben, einen Teil des Landes wird er ohnehin bekommen.«
»Aber nicht alles.«
Je länger die Baronin darüber nachdachte, desto schlimmer wurden die Bilder, die sie sich ausmalte. Einer Schlange kann man nicht trauen, dachte sie. Und Woodward ist ohne Zweifel eine Schlange.
»Sollte er wirklich Bescheid wissen, können wir noch immer behaupten, dass er uns verleumden will.«
Henry drehte sie sanft zu sich um, so dass sie ihn ansehen musste. »Wir müssen ruhig bleiben. Wenn
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